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Der nächste Eurobonds-Anlauf

Von Thomas Seifert

Politik

Österreicherin Tumpel-Gugerell soll Vor- und Nachteile von Eurobonds klären.


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Brüssel/Straßburg. Es war eines der spannendsten Wochenenden der Geschichte der Euro-Krise: Griechenland stand am Abgrund, die restlichen Euro-Länder Südeuropas ebenso.

Die Staats- und Regierungschefs haben sich am Samstag, dem 8. Mai 2010 auf einem Sondergipfel in Brüssel auf die Einführung eines temporären Euro-Rettungsschirms geeinigt.

Doch nun mussten die EU-Finanzminister am Sonntag, 9. Mai 2010, in Brüssel die nicht unwesentliche Frage klären, woher all dieses Geld kommen sollte. Der damalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versammelte den Gouverneursrat in einem Konferenzraum der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel - einige andere waren in einer Konferenzschaltung aus der EZB-Zentrale in Frankfurt beziehungsweise aus ihren jeweiligen Ländern zugeschaltet.

Frankreich und die meisten anderen Länder des Club-Med (Frankreich, Italien, Spanien) sahen die Lösung im Mai 2010 in Eurobonds - neue Schuldenpapiere, für die alle Euro-Länder gemeinsam garantieren würden. Der Zugang zu diesem frischen Kapital wäre nach dem Willen der Eurobonds-Architekten allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft worden. Österreich, Deutschland und Finnland sprachen sich damals gegen diesen französischen Lösungsvorschlag der Schuldenkrise aus. Die Kritiker aus diesen Ländern sahen in der Eurobonds-Lösung die Gefahr der Schaffung einer Schuldenunion, wo zwar Geld nach Brüssel fließen würde, aber ohne Kontrolle, auf welche Art die Schuldnerländer dann dieses Geld verwenden würden. Am Abend des 9. Mai 2010 war klar, dass diese Lösung keine Chance hatte, also musste eine Alternative gefunden werden, denn bis zur Öffnung der Börsen in Australien und Tokio war nicht mehr viel Zeit.

Das Ergebnis der Verhandlungen (die Börsen in Asien waren übrigens schon offen): die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Dieser Rettungsschirm war auf drei Jahre angelegt und beinhaltete Kreditermächtigungen in Höhe von maximal 750 Milliarden Euro. Die Franzosen haben damals ihre Eurobonds nicht bekommen, der EFSF (heute Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM) war ein Kompromiss und wurde das Vehikel zur Euro-Rettung. Zwei Drittel der Summe kamen von den Europäern, ein Drittel vom Internationalen Währungsfonds (IMF).

Eurobonds-Revival?

Nachdem die Finanzminister im Mai 2010 die Idee der Eurobonds vorerst begraben haben, unternimmt die EU-Kommission nun einen neuen Anlauf unter dem Titel "Eurobills". Eine hochrangige Brüsseler Arbeitsgruppe soll die Vor- und Nachteile der umstrittenen Eurobonds untersuchen. Vorsitzende dieser Gruppe ist nach Ankündigung von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Österreicherin Gertrude Tumpel-Gugerell, die früher im Direktorium der Europäischen Zentralbank saß. Unter den zehn weiteren Mitgliedern ist auch die ehemalige deutsche Wirtschaftsweise Beatrice Weder Di Mauro.

Barroso sprach im Europaparlament in Straßburg von "Eurobills"; das sind kurzfristige Anleihen des Euroraums.

Bisher gibt es in der Eurozone keine gemeinsame Schuldenpolitik und das von Barroso präsentierte Vorhaben ist weiter höchst umstritten - vor allem Deutschland hat seinen Widerstand nie wirklich aufgegeben.

Die Arbeitsgruppe soll alle Auswirkungen von gemeinschaftlicher Schuldenausgabe prüfen, dabei geht es laut Barroso um Eurobills und einen Tilgungsfonds. Nach bisher in Brüssel kursierenden Reformvorschlägen geht es dabei um die Überführung von bestimmten Staatsschulden in diesen Tilgungsfonds für Altlasten.

Der österreichische EU-Abgeordnete und Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas freut sich, dass eine österreichische Ökonomin von der EU-Komission mit der heiklen Aufgabe betraut worden ist. "Die Entscheidung für Gertrude Tumpel-Gugerell als Vorsitzende der neuen Eurobonds-Arbeitsgruppe ist eine tolle Personalentscheidung. Das hohe Vertrauen, das in sie gesetzt wird, hat sie sich hart erarbeitet. Ich gratuliere ihr und erwarte einen intensiven Dialog der Arbeitsgruppe mit dem Europäischen Parlament", Karas heute in Straßburg.

Das EU-Parlament hat stets zur Einführung von Eurobonds als Ausweg aus der Krise gedrängt. Die EU-Kommission solle bei ihren Überlegungen zur Zusammenfassung von Schulden auch die Einführung von Gemeinschaftsanleihen prüfen, forderte die liberale französische Abgeordnete Sylvie Goulard bereits im Jänner dieses Jahres.

In Österreich hat sich Kanzler Werner Faymann in der Vergangenheit ebenfalls für Eurobonds ausgesprochen und gemeint, er wolle die Deutsche Kanzlerin Angela Merkel davon überzeugen, die Schulden der europäischen Schuldnerstaaten "gemeinsam zu bewirtschaften".