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Der nächste europäische Konflikt ante portas

Von Franz Schausberger

Gastkommentare
Franz Schausberger war Landeshauptmann von Salzburg und ist Präsident des Instituts der Regionen Europas.

Während Olympia und die Ukraine die öffentliche Aufmerksamkeit fesseln, bahnt sich im ärmsten Land Europas, in Moldawien, eine ernste Krise an.


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Nach dem gleichen Muster wie in der Ukraine geht es in Moldawien um die Frage, ob sich das Land der EU oder Russland zuwenden soll. Diese stark von außen gesteuerte Auseinandersetzung kann sehr leicht zu einem neuen Krisenherd führen.

Die rund 160.000 Gagausen, ein christlich-orthodoxes, auch Russisch sprechendes Turkvolk, bewohnen das in sich nicht geschlossene Autonome Territorium Gagausien mit eigenem Parlament und eigener Regierung im Süden Moldawiens. Im Gegensatz zur abtrünnigen moldawischen Region Transnistrien wurde Gagausien 1994 als ein autonomes Gebiet mit umfangreichen Sonderrechten von der moldawischen Regierung anerkannt, wodurch eine fast konfliktfreie gemeinsame Entwicklung möglich war.

Die von der Regierung Moldawiens angestrebte EU-Assoziierung spitzte in jüngerer Zeit die Lage in Gagausien zu, die Loslösung von Moldawien ist wieder ein Thema. Die wenig sensiblen Ansagen rumänischer Politiker von einem Anschluss Moldawiens an Rumänien führten zu Protesten in Gagausien und anderen Landesteilen, wo man für eine engere Anbindung an Russland eintritt. Die vor allem Rumänisch sprechenden EU-Befürworter und die Russisch sprechenden, überwiegend kommunistischen Vertreter des pro-russischen Kurses halten sich in Moldawien ungefähr die Waage.

Die Regierung paraphierte Ende November 2013 ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU, das schon nächstes Jahr unterzeichnet werden soll. Am 2. Februar führte Gaugasiens Regierung ein Referendum über Moldawiens künftigen Kurs durch. Die Gaugasier sollten sich zwischen EU-Anschluss und Beitritt zu einer Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan entscheiden. Nicht ohne Grund vermutet die moldawische Regierung dahinter Russland, das Moldawien durch wirtschaftliche Sanktionen bei Wein und Erdgas gegen eine EU-Annäherung unter Druck setzen will.

Das Ergebnis war eindeutig: Bei mehr als 70 Prozent Beteiligung stimmten mehr als 98 Prozent der Gagausier für die Zollunion mit Russland, und 97 Prozent votierten gegen die EU. 99 Prozent sprachen sich für das Selbstbestimmungsrecht Gagausiens aus, falls Moldawien sich mit Rumänien vereinigen würde. Damit geht der sich abzeichnende Richtungskonflikt weit über die nationalen Grenzen hinaus.

Angesichts des "Fuck the EU"-Ausspruchs einer US-Diplomatin, der viel über die innere Einstellung der USA zur EU aussagt, und des NSA-Skandals sollte die EU ihre bisherige Außenpolitik überdenken. Die einseitige Achse USA-Europa gegen Russland sollte einem ausgewogenen, partnerschaftlichen Verhältnis Europas zu den USA und Russland weichen. Die überhebliche Besserwisserei der EU gegenüber Russland könnte weitere Konflikte auslösen - die USA, denen an einem konfliktfreien und starken Europa nicht wirklich gelegen ist, werden das genüsslich beobachten. Im Übrigen sollte sich die EU um Europas starke Regionen rechtzeitig kümmern, bevor diese sich - friedlich oder unfriedlich - selbständig machen.