Europäer üben Kritik an der Verschärfung der US-Sanktionen gegen Russland, Moskau kontert mit Strafmaßnahmen gegen USA.
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Washington/Moskau. Kaum ist ein Handelskonflikt entschärft, droht schon der nächste zu entbrennen. Haben die Europäer es erst vor wenigen Wochen geschafft, Strafmaßnahmen der USA wie etwa Importzölle für die Stahlindustrie zu verhindern, orten sie nun Gefahren für Europas Energiebranche. Denn diese könnte von den neuen US-Sanktionen gegen Russland betroffen sein. Der US-Senat hatte - nach dem Repräsentantenhaus - mit überwältigender Mehrheit für eine Verschärfung der Strafmaßnahmen votiert: mit 98 zu zwei Stimmen. Den Gesetzesentwurf muss noch Präsident Donald Trump unterschreiben, der sich zunächst gegen neue Sanktionen gesperrt hat. Sein mögliches Veto dagegen können aber beide Parlamentskammern mit Zwei-Drittel-Mehrheit aushebeln.
Hintergrund der Sanktionen ist zwar die Einschätzung der Geheimdienste, wonach sich die Regierung in Moskau in die US-Präsidentenwahl im Vorjahr eingemischt hatte - ein Vorwurf, den der Kreml zurückweist. Doch etliche europäische Politiker vermuten ebenso ökonomische Interessen. Mit den Strafmaßnahmen könnten sich die USA, ein Konkurrent Russlands in der Öl- und Gasbranche, wirtschaftliche Vorteile verschaffen wollen. Das Gesetz kann nämlich exterritoriale Auswirkungen haben, die vor allem nicht-amerikanische Unternehmen mit Energiegeschäften in Russland treffen würden.
Gasimporte
So will Washington einerseits dem Export von US-Energieressourcen Vorrang einräumen. Auf der anderen Seite hält es an seinem Widerstand gegen das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 fest. Gegen das Vorhaben wehrt sich zwar auch eine Gruppe osteuropäischer Staaten rund um Polen, da sie eine größere Abhängigkeit von russischen Gaseinfuhren fürchten, die noch dazu unter Umgehung der Ukraine von Russland nach Deutschland erfolgen. Doch Länder wie Deutschland und Österreich sind an dem Bau der Leitung sehr interessiert. Immerhin wollen sich Konzerne wie BASF, E.ON und die österreichische OMV daran beteiligen. Sie könnten durch die US-Sanktionen unter Druck geraten.
Daher hat nicht nur der österreichische Bundeskanzler Christian Kern bereits Kritik am US-Vorhaben geäußert. Auch aus Berlin kamen Mahnungen: Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries warnte zuletzt vor einem Handelskrieg mit den USA. Die EU-Kommission will die Entwicklungen ebenfalls mit "großer Aufmerksamkeit" verfolgen.
Reagiert hat bereits der Kreml - ebenfalls mit Strafmaßnahmen. So ordnete das Außenministerium in Moskau an, dass die USA binnen eines Monats ihr diplomatisches Personal auf 455 Personen verringern müssen. Das entspricht einer Halbierung - und der Zahl an Diplomaten, die umgekehrt Russland in den USA verblieben sind, nachdem die US-Regierung im Dezember 35 Russen ausgewiesen hatte. Außerdem dürfe die US-Botschaft ab dem 1. August ein Lagerhaus und einen Gebäudekomplex in Moskau nicht mehr nutzen.
Franzosen zögern bei Finanzierung der Gasleitung
Konsequenzen könnten aber ebenfalls die europäischen Firmen ziehen. Der französische Energiekonzern Engie deutete dies bereits an: Sollten die US-Sanktionen auf Nord Stream 2 anwendbar sein, würde das Unternehmen das Projekt nicht weiter finanzieren. Die derzeitige Beteiligung an der Pipeline, die bis Ende 2019 gebaut werden soll, sei jedoch nicht gefährdet, teilte ein Manager der Agentur AFP mit.
Engie und die Konzerne Uniper, Wintershall, OMV und Royal Dutch Shell hatten sich darauf verständigt, 50 Prozent der Projektkosten von 9,5 Milliarden Euro zu übernehmen. Das hatte das russische Energieunternehmen Gazprom im April berichtet. Gazprom bleibt jedoch alleiniger Aktionär der Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG, hieß es damals.
Für die EU ist Russland einer der größten Handelspartner - es ist unter den fünf wichtigsten Ländern. Auf die USA hingegen entfallen gerade einmal ein paar Prozent des russischen Außenhandelsvolumens. Die wirtschaftlichen Sanktionen, die EU und USA bisher im Gleichklang verhängt hatten, treffen denn auch die Europäer selbst stärker als die Amerikaner.