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Der nächste Neustart

Von Raffael Reithofer, Simon Rosner und Martin Tschiderer

Politik
© stock.adobe.com / vectorplus

Der Regierungsumbau bringt neue Zuständigkeiten für einzelne Ministerien. Welche Großprojekte stehen dort an?


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Die Regierung hat sich viel vorgenommen, sogar sehr viel. Das Arbeitsprogramm umfasste 326 Seiten, mehr als je zuvor. Doch erst die Pandemie und nun der Krieg in der Ukraine haben die Pläne über den Haufen geworfen. Die Regierung ist fast zur Gänze auf Krisenpolitik zurückgeworfen, aktuell steht vor allem die Teuerung im Vordergrund. Deren Folgen müssen gemildert werden. Doch was erben die neuen Regierungsmitglieder beziehungsweise erbt Martin Kocher, der die Wirtschaftsagenden übernimmt, sonst noch? Was ist bisher geschehen?

Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft

Arbeitsminister Martin Kocher ist Anfang 2021 selbst durch eine Umbildung ins Regierungsteam gestoßen, als er die Agenden von Christine Aschbacher übernahm. Nach knapp eineinhalbjähriger Amtszeit muss er weitere Zuständigkeitsbereiche in sein Ressort integrieren: jene aus dem nach dem Rücktritt von Margarete Schramböck aufgelösten Wirtschaftsministerium.

Die Zusammenführung sorgt für Stöhnen unter den Mitarbeitern des Ressorts, nicht zuletzt, weil sie auch aus der Innensicht kurzfristig und überraschend gekommen ist. Kocher sei es aber ein Anliegen, den zentralen Brocken in seinem Ressort zeitgerecht zu bewältigen, heißt es aus dem Ministerium gegenüber der "Wiener Zeitung". Und dieser heißt: Arbeitsmarktreform.

Anfang September 2021 hatte Kocher angekündigt, einen "Reformdialog" dazu zu starten. Seither wurden zahlreiche Stellungnahmen eingeholt und eine parlamentarische Enquete dazu abgehalten. Die Vorstellung eines neuen Gesetzesentwurfs peilt man noch im zweiten Quartal an. Da bleiben noch sieben Wochen. Inhaltlich brachte Kocher eine Senkung der Zuverdienstgrenzen für Arbeitslose, Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen und ein degressives Modell beim Arbeitslosengeld ins Spiel.

Bundesministerium für Landwirtschaft

Eigentlich hätte am Mittwoch auch Norbert Totschnig als neuer Landwirtschaftsminister angelobt werden sollen, doch der Tiroler ÖVP-Mann und bisherige Bauernbunddirektor wurde positiv auf Corona getestet.

Inhaltlich hat seine Vorgängerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zwar noch in diesem Frühjahr einige wichtige Projekte wie etwa die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Milch und Eier in Supermärkten und Betriebskantinen (Letzteres jedoch nur im öffentlichen Sektor) sowie gewisse Verbesserungen bei der Schweinehaltung auf den Weg gebracht. Die zugehörigen Gesetzesentwürfe befinden sich aber noch im Begutachtungsverfahren.

Kritikern gehen Köstingers Reformen jedoch nicht weit genug. Beispielsweise beschwerte sich so mancher Politiker des grünen Koalitionspartners darüber, dass die Herkunftskennzeichnung - zumindest bis auf weiteres - nicht für die Gastronomie gilt. Und dass die umstrittenen Vollspaltenböden in der Schweinehaltung weiter erlaubt bleiben, kritisieren nicht nur Tierschutz-NGOs, sondern etwa auch die Wiener SPÖ und auf Bundesebene die Neos. Es wird abzuwarten sein, wie Totschnig damit umgeht.

Auch die finanzielle Absicherung der bäuerlichen Familienbetriebe und die Versorgungssicherheit der Österreicherinnen und Österreicher mit Lebensmitteln wird für den neuen Minister ein großes Thema werden.

Staatssekretariat für Tourismus

Die neue Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler muss rasch in die Umsetzung kommen. In ihrer ersten Periode als zuständige Ministerin hatte Elisabeth Köstinger einen Masterplan für den Tourismus entwickelt, der ab 2020 umgesetzt werden sollte. Daraus ist bisher wenig geworden. Das Ziel ist, den heimischen Tourismus hochwertiger zu gestalten, da das bisherige Wachstum stark bettengetrieben war: Je mehr, desto besser. Diese Formel soll umgedreht werden: Je besser, desto mehr.

Abgesehen davon, dass Bereiche wie Raumordnung und Landwirtschaft - Stichwort Kulinarik - auch in dieses Thema hineinspielen, wird es bei Förderungen einer Umsteuerung bedürfen. Der Rechnungshof hat erst im März die Subventionslandschaft im Tourismus als "nicht zielsicher und objektiv nachvollziehbar" zerpflückt. Das Ministerium sagte, eine "Neuausrichtung" sei bereits in Arbeit, aber so stand es auch im Regierungsprogramm, passiert ist es noch nicht.

Der bereits vor Corona existierende Fachkräftemangel im Tourismus hat sich seither noch deutlich verschärft. Auch der europäische Arbeitsmarkt ist nicht unerschöpflich. Es ist ein weiterer Grund, weshalb die "Immer-mehr"-Doktrin des heimischen Tourismus an einem Endpunkt angelangt ist. Im Regierungsprogramm ist diesem Thema ein eigenes Unterkapitel gewidmet, wobei bisher nur die Änderung der Rot-Weiß-Rot-Karte für Fachkräfte aus Drittstaaten umgesetzt wurde - und dies auch nur als Begutachtungsentwurf.

Staatssekretariat für Digitalisierung

Zuwachs bei den Agenden gibt es auch im Finanzministerium. Ressortchef Magnus Brunner fällt einerseits der Bereich Digitalisierung aus dem aufgelösten Wirtschafts-, andererseits die Telekommunikation aus dem Landwirtschaftsressort zu. Zuständig ist künftig der neue Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband Florian Tursky.

Die Digitalisierung sei "eng mit der Finanzverwaltung verknüpft", sagte Tursky nach seiner Angelobung am Mittwoch. Auch das Bundesrechenzentrum, Träger der digitalen Infrastruktur der Republik und Betreiber digitaler Anwendungen wie FinanzOnline oder der digitalen Krankenakte Elga, fällt künftig in die Verantwortung des Staatssekretärs.

Im Regierungsprogramm hat man sich für den Bereich jedenfalls einiges vorgenommen. Der Ausbau des 5G-Netzes gehört ebenso dazu wie jener des Glasfasernetzes im Rahmen der "Breitbandstrategie 2030". Deutlich ausgebaut werden soll auch die digitale Verwaltung, also die Möglichkeit, Amtsgeschäfte online abzuwickeln.