Die G20 wollen bei ihrem Gipfel die Partnerschaft mit afrikanischen Ländern stärken. | Selbstlos ist diese Initiative nicht. Denn es geht dabei auch um neue Absatzmärkte - und das Eindämmen der Migration.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Hamburg/Wien. Es sind Zahlen, die die Dimension der Herausforderung klar erkennen lassen. Laut einer erst kürzlich aktualisierten Prognose der UNO wird die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten vor allem auf einem Kontinent kräftig wachsen, nämlich Afrika. So soll sich die dortige Bevölkerung verdoppeln, von heute etwa 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden. Damit müssen jährlich Millionen Jobs für die nachrückende junge Bevölkerung geschaffen werden.
Welche Effekte es hat, wenn das nicht gelingt, ist schon jetzt zu beobachten: Armut und im schlimmsten Fall auch Krieg. So ist es etwa für Milizen in Bürgerkriegsländern wie dem Südsudan oder dem immer noch umkämpften Nordmali ein Leichtes, Kämpfer zu finden: Niemand ist leichter zu rekrutieren als junge Männer, die keine Perspektive haben, aber viel Zorn in sich tragen. Das starke Bevölkerungswachstum kann aber auch eine ganz andere Konsequenz haben: Dass immer mehr Menschen ihre Zukunft in der Auswanderung suchen und sich auf den Weg machen - entweder in die wirtschaftlich potenteren Staaten Afrikas oder nach Europa.
Auch unter diesem Aspekt ist die Initiative Deutschlands zu sehen, das gerade den Vorsitz der G20, der 20 größten Industrienationen, innehat. Bundeskanzlerin Angela Merkel will den G20-Gipfel an diesem Wochenende in Hamburg nutzen, die Zusammenarbeit mit Afrika voranzutreiben.
Der Vorstoß, der offiziell "Compact with Africa" heißt, soll ein Angebot an afrikanische Länder sein: Diese können mit G20-Staaten (von denen mit Südafrika nur ein einziger selbst afrikanisch ist), der Afrikanischen Entwicklungsbank, Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds einen Aktionsplan entwickeln. Die afrikanischen Länder erhalten Unterstützung bei Infrastrukturprojekten und der Suche nach Investoren. Sie selbst verpflichten sich dafür, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und Reformen durchzuführen.
Den afrikanischen Ländern soll das mehr Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze bringen. Für die westlichen Partner wiederum wird es kein Nachteil sein, wenn ihre Konzerne in Ländern mit billiger Produktion und steigenden Absatzmärkten leichter Fuß fassen können.
Fünf Länder haben ein derart großes Interesse gezeigt, dass mit ihnen nun eine solche Partnerschaft ausgearbeitet wird: Cote d’Ivoire, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien.
Viele Ökonomen und Entwicklungsexperten können der Initiative viel Positives abgewinnen. Das Beispiel Asien hat in Ländern wie etwa China, Vietnam oder Thailand gezeigt, wie eine verbesserte Infrastruktur und die Kooperation mit privaten Investoren die Wirtschaft angekurbelt und hunderte Millionen Menschen in die Mittelschicht gehievt haben. Gleichzeitig gibt es aber auch Kritik oder zumindest Verbesserungsvorschläge.
Investoren sollen es richten
"Nicht beantwortet wird die Frage, wie durch das Privatkapital mehr nachhaltige Entwicklung entsteht, wie also die Investitionen auch für ein besseres Gesundheitssystem, eine höhere Lebenserwartung oder mehr Bildung sorgen können", sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Leininger vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, das auch die deutsche Regierung berät. "Die G20-Initiative geht im Grunde davon aus, dass das die unsichtbare Hand des Marktes schon richten wird." Sinnvoller wäre es aber, dass sich entwicklungs- und wirtschaftspolitische Aspekte stärker ergänzen.
Ein weiterer Kritikpunkt, der immer wieder aufkommt: Was der Westen mit seinen Afrika-Inititiativen mit der einen Hand aufbaut, zerstört er mit der anderen wieder. So sagt der Historiker und Afrika-Experte Walter Sauer, dass die Billig-Exporte in afrikanische Länder "nicht gerade hilfreich" sind. Als Beispiel nennt er, dass billigste gefrorene Hühnerteile die westafrikanische Geflügelwirtschaft teilweise zerstört haben. Zwar subventioniert etwa die EU derartige Exporte nicht mehr direkt. Doch bekommt die Agarwirtschaft noch immer viele Zuschüsse und erzeugt Überproduktionen auf den heimischen Märkten, die sie auf den afrikanischen Märkten abstößt.
Die Politologin Leininger verweist wiederum darauf, dass bei dieser Debatte ein weiterer wichtiger Punkt oft übersehen wird: Dass der Handel zwischen den afrikanischen Ländern, die sich schon in regionale Bündnisse wie etwa die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas zusammengeschlossen haben, mehr gestärkt werden müsse. "Das würde den Konsum steigern und wohl für bessere Entwicklungsergebnisse sorgen." Handelshemmnisse abzubauen, liege freilich hauptsächlich in der Hand der Afrikaner selbst, der Westen könne hier aber bei seinen Partnerschaften Anreize schaffen.
Keine Wunder zu erwarten
Von der G20-Initiative sind jedenfalls keine Wunder zu erwarten. Die fünf Länder, die mitmachen, zählen zu den wirtschaftlich stärksten in Afrika - wie sehr so ein Rahmen auch für ärmere Länder passt, ist fraglich. Offen ist auch, ob die Europäer mit solchen Initiativen eines ihrer Ziele, nämlich die Migration einzudämmen, erreichen. Denn einerseits halten bessere Perspektiven Leute in ihren Ländern. Andererseits kann gerade auch "wirtschaftlicher Aufschwung mehr Auswanderung bedeuten", sagt Leonard Doyle, Sprecher der "Internationalen Organisation für Migration". Denn wenn mehr Menschen besser ausgebildet sind, steigert das auch den Wunsch, woanders sein Leben zu verbessern.
Generell sei es sehr zu begrüßen, dass Afrika auf der internationalen Agenda steht, sagt Leininger. "Ein wichtiger Punkt wird aber sein, dass die G20 an diesem Thema dran bleiben." Denn Afrika-Initiativen der Industrieländer gab es schon viele: Manche haben etwas gebracht, manche sind versandet.