Das Vinzenz Gwölb in Mariahilf ist nicht nur eine Frühstücksausgabestelle für Obdachlose, sondern trägt auch eine große sozialpädagogische Verantwortung.
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Wien. Die Essensausgabe im Vinzenz Gwölb in Mariahilf ist für viele Menschen gerade in der Vorweihnachtszeit ein Zufluchtsort in der Früh. Im Schnitt kommen etwa 150 Besucher pro Tag, die innerhalb der Öffnungszeiten von Montag bis Freitag von 7 Uhr bis 9.30 Uhr ein Frühstück bekommen, aber auch über ihre Probleme sprechen können. Rund 10 Prozent der Gäste sind Frauen und der Ausländeranteil liegt bei etwa 90 Prozent. Letzterer setzt sich einerseits zusammen aus Gästen aus Osteuropa, zumal Ungarn, Rumänen, Bulgaren und Slowaken. Andererseits gibt es zum Beispiel auch Afghanen, die kommen. Das Vinzenz Gwölb ist für viele aber weit mehr als nur ein sozialer Knotenpunkt, es ist wie ein Wohnzimmer. Charlotte Trkola organisiert die Frühstücksausgabe für Obdachlose und armutsbetroffene Menschen und erzählt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die Barmherzigen Schwestern als karitativer Frauenorden weit mehr als nur Essensausgabe anbieten.
"Wiener Zeitung": Kommen viele Flüchtlinge zu Ihnen?Charlotte Trkola: Insgesamt ist es mir nicht so stark aufgefallen, dass wir ein Fixpunkt für Asylwerber sind.
Wer betreut die Obdachlosen genau?
Wir haben zwei Mitarbeiter, Ordensschwestern und 40 ehrenamtliche Mitarbeiter, die uns unterstützen. Brot und Kaffee gibt es hier jeden Tag für alle, die anderswo kaum zu einem Frühstück kommen. Was es im VinzenzGwölb auch gibt, sind Menschen, die sich um die Anliegen der Frühstücksgäste kümmern. Das sind die, die zuhören, mitreden und bei Problemen helfen.
Worin liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
Wir achten vor allem auf den Aufbau von Vertrauen. Unsere Gäste sollen sich wohl und geborgen fühlen. Der Sendungsauftrag der Barmherzigen Schwestern ist es, auf die Not der Zeit zu reagieren. Heutzutage haben unsere Gäste mit einer Reihe von sozialen und gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen. Der Altersschnitt der Obdachlosen bewegt sich zwischen 30 und 60 Jahren.
Woran mangelt es?
Das was mir wichtig ist zu sagen, ist, dass Obdachlose in Wien bestens versorgt werden mit Lebensmitteln und Kleidung. Das, was immer fehlt, sind Schlafplätze und sozialarbeiterische Betreuung.
Hat die Flüchtlingskrise 2015 Ihre Arbeit beeinflusst?
Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Obdachlosenbetreuung die Spenden zurückgehen werden. Daher bitte ich weiterhin um Spenden für das VinzenzGwölb und für andere karitative Organisationen, damit wir adäquat helfen können. Durch die Flüchtlingskrise hat sich schon etwas geändert. Wenn es einer der Obdachlosen schaffen will, im österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, dann wird es künftig zu einer Konkurrenzsituation mit den Asylwerbern kommen.
Sehen Sie hier Spannungsfelder?
Fakt ist, dass es für die Migranten, also auch für jene, die die deutsche Sprache nicht sprechen und sich bei uns integrieren wollen, immer schwieriger wird, weil sie keinen Job haben.
Ihre Klientel ist massiv von Arbeitslosigkeit betroffen. Wird bei Ihnen viel darüber gesprochen? Erschwert das den Arbeitsalltag?
Selbstverständlich, das sind ja genau die, die wieder in den Arbeitsmarkt wollen. Bei meinen Gästen geht es hauptsächlich um Berufe wie jene als Hilfsarbeiter oder Jobs als ungelernte Arbeitskräfte. Das sind natürlich die am schlechtesten bezahlten Arbeitsplätze. Die Motivation lautet für viele aber dennoch, dass sie nur dann hierbleiben können, wenn sie den Schritt hin zu einer Arbeitsaufnahme schaffen. Der Realität entsprechend muss man aber festhalten, dass dieses Ziel leider nicht für alle erreichbar ist.
Das heißt, dass Sie auch eine große sozial-pädagogische Verantwortung tragen . . .
In erster Linie ist es vielen Obdachlosen wichtig, dass sie in der Früh einen Ort haben, wo sie hingehen können und auch satt werden. In zweiter Linie besteht für diese Menschen zusätzlich die Möglichkeit, dass man sie kennenlernt und sie bei den verschiedenen Problemen fallweise unterstützt.
Wie läuft das konkret ab?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Heute bereite ich mich darauf vor, morgen mit einem Frühstücksgast einen Termin beim Verwaltungsgericht Wien wahrzunehmen. Dies ist daraus entstanden, dass der Gast beim Frühstück aktiv und selbst nach Hilfe gesucht hat. Gemeinsam mit Organisationen wie etwa dem Fonds Soziales Wien und der Caritas helfen wir, wo es geht. Doch natürlich muss man auch sagen, dass wir alle unser Limit und unsere Kapazitäten haben. Erwähnen möchte ich aber auf jeden Fall, dass all diese diversen Organisationen hervorragende Arbeit leisten.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung bei Ihrer Arbeit mit Obdachlosen und Flüchtlingen?
Ich möchte, dass die Öffentlichkeit weiß, dass es in unserem Land sehr viele Obdachlose gibt und viel für sie getan wird. Das, was man unterstreichen muss, ist, dass der nächste Schritt Integration ist. Hier muss man ansetzen.
(af) Seit 1832, als die Barmherzigen Schwestern ihr Stammhaus in Wien-Mariahilf bezogen, wurde den Ärmsten geholfen.
Damals initiierten sie eine Armenausspeisung in der Gumpendorfer Straße, die bis in die späten 1960er Jahre betrieben wurde. Als die Zahl der Armen Ende der 1990er Jahre wieder anstieg und der Bedarf dringend gegeben war, öffneten die Barmherzigen Schwestern die Frühstücksausgabe.
Im Jahr 2010 übersiedelte die Ausspeisung vom ursprünglichen, kleinen Raum in einen größeren, der durch den Eingang in der Gumpendorfer Straße 110 leicht zugänglich ist und eine ansprechende Atmosphäre schafft. Die Barmherzigen Schwestern sind ein karitativer Frauenorden der katholischen Kirche. Seit mehr als 175 Jahren ist ihre Kongregation in Wien tätig. Die Spiritualität der Schwestern orientiert sich am heiligen Vinzenz von Paul, der gemeinsam mit Louise von Marillac den Orden für den Armendienst geformt hat.
Auch heute sind die Ordensfrauen dazu berufen, den Armen zu dienen - allerdings nicht nur den Armen im materiellen Sinn, sondern allen Menschen, die Hilfe brauchen.
Das Gemeinschaftsleben im Kloster soll nicht ausschließen, sondern einladen: zum Beten, zum Nachdenken, zum Gespräch, zum Mitleben.
Weitere Informationen unter:www.barmherzigeschwestern-wien.at
Vinzenz Gwölb
Zur Person
Charlotte Trkola
Die 46-jährige Chefin des Vinzenzgwölbs ist seit 1. Februar 2014 im Amt und hat zuvor bei den Wiener Vinzi Werken gearbeitet und die Notschlafstelle für EU-Ausländer geleitet.