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Als "wesentlichen Schritt zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten" wertet Emmerich Talos, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien, die bevorstehende Einigung der Sozialpartner zur Abfertigung Neu. Allerdings bewege sich die Debatte in der Figur des Normalarbeitsverhältnisses. In Zukunft müsse es um eine Angleichung der Bedingungen von atypisch Beschäftigten gehen, gibt Talos die nächste Etappe für die Sozialpolitik vor.
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Die Privilegienstrategien für Angestellte seien bereits in der Monarchie begonnen worden, als nämlich 1907 im Zusammenhang mit dem Wahlrecht die Alterspension für Privatbeamte - wie die Angestellten damals bezeichnet wurden - eingeführt wurde. Diese Privilegienpolitik für Angestellte sei in der Ersten Republik fortgesetzt worden, erklärt Talos im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Angestelltengesetz aus 1921 wurde die Abfertigung für Angestellte, damals Treueprämie genannt, geregelt.
Erst in den 70er Jahren wurde eine Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten begonnen: Den ersten Aspekt der Gleichstellung bildete die 1974 beschlossene Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter, 1976 folgte eine Angleichung im Urlaubsrecht und im Februar 1979 folgte in Vorwahlzeiten zugleich mit dem Gleichbehandlungsgesetz der Beschluss der Abfertigungsregelung für Arbeiter. Die Abfertigung sei damals ein "sozialpolitisches Wahlzuckerl" der Sozialdemokratie gewesen, erläutert der Politologe.
Die nunmehr bevorstehende Einigung der Sozialpartner "war der zweite sozialpartnerschaftliche Akt seit Beginn der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ im Februar 2000". Der erste sei die Einigung über die ursprünglich vorgesehene Wartezeit für das Arbeitslosengeld bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und für Beschäftigte im Tourismus gewesen.
Durch die Veränderung der politischen Spielregeln sei die Sozialpartnerschaft in den vergangenen 20 Monaten "vollends leer gelaufen", meint Talos. Die Überantwortung der Abfertigung Neu an die Sozialpartner bewertet der Politikwissenschfter als "Ausreisser".
Das sei auch damit zu erklären, dass "das Arbeitsrecht bis 1999 ein politischer Bereich war, wo die inhaltliche Substanz von den politischen Verbänden geliefert und dann im Nationalrat umgesetzt wurde". Und an den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wäre man in dieser Frage ohnedies nicht vorbei gekommen: "Man braucht die Zustimmung von Arbeitgebern und Gewerkschaften, weil es um Verteilungsprozesse geht. Ob das schon eine Wiederbelebung der Sozialpartnerschaft bedeutet, ist in Zweifel zu ziehen. Weil wir nicht sehen, dass die Regierung die großen Verbände in die Gesetzgebung einbezieht."
Talos vermutet auch, dass sich die Regierung durch die Überantwortung der Abfertigung Neu an die Sozialpartner und deren Unterschrift einen Einstieg in das Drei-Säulen-Modell (gesetzliche Pension, Betriebspension, Eigenvorsorge) der Pensionsvorsorge schaffen will. Denn die FPÖ hat in ihren Leitlinien von 1997 als erste Säule die Reduktion der Nettoersatzrate auf 50 Prozent (derzeit liegt die Nettoersatzrate bei 77 Prozent) bei gleichen Beiträgen vorgesehen. Als zweite Säule wird die Abfertigung angeführt. Für Talos würde dieses Modell "einen enormen Sozialabbau" bedeuten. "Den Verlust aus der ersten Säule müssten sich die Arbeitnehmer mit der Abfertigung, und diese ist ja Lohnbestandteil, selbst zahlen", urteilt´Talos. Darüber hinaus ist auch im Regierungsprogramm festgehalten: "Wir werden mit der Umsetzung des Modells Abfertigung Neu einen wesentlichen Akzent zum Aufbau der berieblich finanzierten Zusatzpension leisten."