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Der "Nahberuf" Lehrer geht Schülern manchmal zu weit

Von Konstanze Walther

Politik

+++ Sexuelle Übergriffe sind keine Seltenheit. | | Wien. "Dass der Lehrberuf ein Nahberuf ist, ist klar. Dass es da manchmal zu Berührungen kommt, ist auch klar. Ob die nun notwendig sind oder die Schüler belästigen, ist schwierig nachzuweisen", meint ein Lehrer beim Lehrerberatungszentrum, das Pädagogen Supervision anbietet.


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An ihn seien noch nie Lehrer herangetreten, die sich zu Schülern hingezogen fühlen, dennoch kennt er solche Fälle: "Die gabs und wird es immer geben."

Im Wiener Stadtschulrat wird hingegen ein Anstieg von Beschwerden wegen sexueller Belästigung durch Lehrer registriert. Es handle sich dabei bloß um ein paar Fälle, "aber die sind nur die Spitze des Eisbergs", seufzt die zuständige Abteilungsleiterin Eva Maria Sand. Denn bei sexuellen Übergriffen würden sich die Opfer oft nicht trauen, mit jemandem zu reden, außer sie haben "ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Stattdessen genieren sie sich und entwickeln ein schlechtes Gewissen", so die Juristin. Lehrer, die in die Intimsphäre von Schülern eingreifen, würden sich aber meist Kinder aussuchen, die aus desolaten Familienverhältnissen kommen. Der Missbrauch erfolge oft schrittweise: "Am Anfang kommt ein Du kannst mit mir reden, gehen wir ins Kaffeehaus, dann heißt es, Gehen wir zu mir nach Hause. Den Schülern wird Interesse vorgegaukelt, und das gefällt ihnen", so Sand.

Verdrängte Übergriffe

Kommt es zu Übergriffen, werden diese oft von den Kindern verdrängt. Manchmal wechseln sie die Schule, aber leiden weiter. Sand: "Jetzt läuft ein Verfahren zu einem Fall, der vor zehn Jahren passiert ist. Das Opfer hat erst jetzt den Mut gefunden, sich an den Stadtschulrat zu wenden." "Es gibt viel mehr Fälle als beim Stadtschulrat aufscheinen", glaubt Peter Wanke von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft. "Grundsätzlich gibt es genug Mittel, um diesen Lehrern das Handwerk zu legen", ist er überzeugt. Aber um eine offizielle Beschwerde einzubringen, damit ein Verfahren anläuft, fehle oft die Courage.

Nur ein kleiner Kreis

Die Fälle werden im sehr kleinen Kreis gelöst: Vor kurzem wandte sich eine Familie an Wanke, deren Tochter belästigt wurde. Und obwohl andere Mitschülerinnen ähnliche Erfahrungen mit dem Lehrer hatten, machte der Vater einen Rückzieher, weil er Schwierigkeiten für seine Tochter befürchtete. Immerhin konnte der Bezirksinspektor hier binnen zwei Tagen eine Alternativschule finden, und die Direktorin hatte ein Gespräch mit dem Lehrer, aber Wanke befürchtet: "Solche Leute ändern sich nie."