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Der Nationalfonds für NS-Opfer hat schon 26.000 Anträge positiv erledigt

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Wien · Der österreichische Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus hat bisher die Anträge von rund 26.000 NS-Opfern positiv abgeschlossen. Rund tausend Fälle, wo es noch weiterer | Recherchen bedarf, sind noch anhängig. Diese Bilanz zog die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing im Rahmen der internationalen Holocaust-Konferenz an der Wiener Universität.


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1.260 Anträge mußten abgelehnt werden, die meisten, weil die Antragsteller entweder vor 1938 nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hatten oder keinen zehnjährigen Wohnsitz in Österreich

nachweisen konnten. Einen Teil dieser Anträge · vor allem handelt es sich um jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, die nach 1933 nach Österreich gekommen waren und nach 1938 auch von hier wieder

vertrieben wurden · werde man nun aus den Mitteln bedenken können, die aus dem Verzicht Österreichs auf Rückerstattung des Nazi-Goldes stammen. Sozial bedürftige NS-Opfer, die nicht voll die

Anforderungen des Nationalfonds erfüllen, werden aus diesem Titel bedacht.

Durch Novellierungen des Nationalfondsgesetzes sei es auch gelungen, Opfergruppen, die ursprünglich nicht berücksichtigt waren, einzubeziehen, wie etwa die Witwen von durch die Nazis Hingerichteten.

Durch eine weitere Novellierung ist es nun auch möglich, dass der Fonds künftig nicht nur vom Staat, sondern auch von anderen stellen bereitgestellte Gelder verteilen kann, was in Bezug auf die

Entschädigungen für Zwangsarbeiter bedeutsam werden könnte.

Lessing ist besonders stolz darauf, dass der Nationalfonds · im Gegensatz zum Opferfürsorgegesetz, in dem sogenannte "asoziale" und homosexuelle KZ-Insassen nicht berücksichtigt sind · alle Opfer

berücksichtigte. Österreich habe mit dem Nationalfonds ein Zeichen gesetzt, mit den NS-Opfern in einen Dialog eintreten zu wollen. Er sei eine · wenn auch verspätete · Geste, ein Schritt zum

Eingestehen der eigenen Schuld. Lessing machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass Österreich zwar nur 8,5 Prozent der Bevölkerung des Hitlerreiches stellte, aber die Hälfte der ermordeten

Juden auf die Befehlsgewalt von Österreichern zurückgehen. Allein auf dem Territorium Österreichs bestanden 47 Konzentrationslager, bzw. deren Außenstellen.

Mit der Opferthese habe man sich lange um diese Verantwortung gedrückt. Noch vor dem offiziellen Kriegsende habe man eine Einladung an die sogenannten Mitläufer ausgesprochen, ins neue Österreich

zurückzukommen, eine Einladung, die an die vertriebenen nie erging. Nur 703 höhere Beamte wurden nach 1945 wegen ihrer NS-Vergangenheit aus dem öffentlichen Dienst entlassen und schon am 1. April

1948 waren von den hunderttausenden österreichischen Nazis nur noch 42.000 Belastete übriggeblieben. Ehemaelige Nazis wurden in manchen Bereichen, wie etwa im Pensionsrecht besser gestellt als

Vertriebene, die oft Jahrelang um eine Pension streiten mußten. Lessing schilderte einen Fall einer ehemaligen Österreicherin in den USA, den der Nationalfonds zu einem positivem Abschluss bringen

konnte. Die Frau war zwischen den Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten hin- und hergeschoben worden. Erst die Intervention des Nationalfonds verhalf ihr zu einem

Pensionsanspruch und einer Pensionsnachzahlung in der Höhe von 800.000 Schilling.

Ein Brief des Wiener Bürgermeister Franz Jonas aus dem Jahr 1954 an einen höheren Beamten, der das KZ Auschwitz überlebt hatte und seine Frau und Kinder Theresienstadt, stellt auch bezeichnend dar,

wer sich vielfach als Opfer sah. Die FP-Vorgängerpartei VDU hatte eine Anfrage an den Bürgermeister gestellt, ob es wahr sei, daß KZ-Opfer in den ihnen nach 1945 zugewiesenen Wohnungen Möbel von

ehemaligen Nazis stehen hatten.

Für die Zukunft kann sich Lessing vorstellen, daß der Nationalfonds nach dem Abschluß seiner ursprünglichen Aufgabe eine Koordinationsstelle für Restitutionsfragen werden könnte.

Dazu meinte der Generaldirektor der Postsparkasse, Max Kothbauer, daß er sich Zahlungen über den Nationalfonds durchaus vorstellen könne, dass aber, wo direkte Ansprüche bestehen, diese auch direkt

abzuwickeln seien. Die Regierung sollte dafür über den Generalsekretär des Nationalfonds hinaus einen Verantwortlichen bestellen.