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Georg Prack (25), langjähriger Aktivist der Grünalternativen Jugend, im Interview. | "Das Schulsystem muss auf den Kopf gestellt werden." |
§§"Wiener Zeitung": Wieso hört man eigentlich so wenig von den Jungen Grünen? * | Georg Prack: Sie arbeiten in anderen Bereichen als den Mainstream-Medien. Jugendpolitik in dem Sinn ist auch nicht etwas, das besonders junge Leute machen müssen. Ich verstehe ja schon mit 25 nicht mehr die Lebenswelt von 14- bis 20-Jährigen, wenn ich mich nicht damit beschäftige.
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"Nimm ein Flaggerl für dein Gackerl", "Wer Österreich liebt, muss Scheiße sein" - was sagen Sie heute dazu?
Das kam nicht direkt von der Grünalternativen Jugend. Österreich ist in einer Phase, wo die NS-Vergangenheitsbewältigung teils in der Praxis stattfindet. Die FPÖ versucht im Prinzip bestimmte Strukturen anzuwenden, etwa die nationalsozialistische Volksgemeinschaft. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Das ist mir auch bei den Grünen noch viel zu wenig.
Wir müssen ein Gegenbild zeichnen, das sagt: Alle Menschen haben gleiche Rechte. Die Volksgemeinschaft geht ja vom Gegenüber, vom Ausschluss aus. Die ÖVP ist fast nur auf der Formebene anders als die FPÖ. In der Asylpolitik ist sie zum Beispiel nicht mehr weit von ihr entfernt. Und wenn dann Sachen kommen wie "Nimm ein Flaggerl für dein Gackerl", ist das eine Provokation des aktuellen Diskurses. Damit wird ein Stück weit der Heimatbegriff desavouiert, den die FPÖ benutzt. Meine Vision ist eine Welt, die den Nationalstaat abschafft. Er löst Krisen aus, hat die schlimmsten Verbrechern der Geschichte verursacht.
Hat Wien ein Ausländerproblem?
Es gibt gesellschaftliche Probleme, aber die haben nicht mit Herkunft zu tun, sondern mit sozialen Strukturen. Die FPÖ versucht, es auf Rasse - einen Begriff, den ich für längst abgeschafft hielt - zu reduzieren. Unser System ist brüchig, die FPÖ zündelt.
Was ist das Ziel der Grünen bei der Wien-Wahl 2010?
Einen Diskurspfeiler einzuschlagen, der jenem der FPÖ diametral gegenübersteht. Es geht darum, in unserer Gesellschaft, die stark nach rechts tendiert, ein Gegenmodell zu etablieren, eine solidarische, ökologische Alternative. Ob wir dabei ein paar Prozent verlieren oder gewinnen, ist eher nebensächlich. Die Wien-Wahlen könnten aber eine Trendwende sein, ein Wahlerfolg wäre möglich.
Die Homoehe soll 2010 kommen. Sind Sie zufrieden?
Was als Homoehe bezeichnet wird, ist weit noch nicht das, was wir fordern. Diese Versuche, zwischen "echter" Ehe und Homoehe zu unterscheiden, sind absurd. Es geht um volle Gleichberechtigung von Liebenden.
Die Studiengebühren sind gefallen . . .
Nicht ganz. Der Verwaltungsaufwand ist absurd, um bestimmte Leute immer noch zahlen zu lassen. Wer freie Bildung für alle sagt, muss die Gebühren zu Gänze abschaffen.
Soll Cannabis freigegeben werden?
Ja, mit der Legalisierung schafft man staatliche Kontrolle über die Reinheit und dämmt den Schwarzmarkt ein. Cannabis ist nicht gefährlicher als legale Drogen, insofern ist die Drogenpolitik verlogen.
Was sagen Sie zur Bildungsdebatte der letzten Monate?
Die geht völlig am Thema vorbei. Man diskutiert, ob Lehrer zwei Stunden mehr oder weniger leisten. Dabei ginge es darum, endlich eine echte Gesamtschule und nicht einen weiteren Schultyp zu schaffen. Im Moment werden Bildungsarmut und -reichtum vererbt. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Man muss mit Eltern, Lehrern und Schülern ein neues Konzept entwickeln. Der Gesamtschulversuch jetzt im Herbst ist ja wieder nur eine halberte Gschicht.
Österreich muss sich zu einer Bildungsgesellschaft entwickeln. Die Politik muss kapieren, dass Veränderungen notwendig sind, und nicht so wie die ÖVP sagen, dass eh alles gut ist.
Aber ist die Gesamtschule dann nicht wieder eine Nivellierung nach unten?
Nein, weil die Schüler individuell gefördert und gefordert werden. Die Klassen sähen natürlich anders aus als jetzt. Und das gesamte Schulsystem muss auf den Kopf gestellt werden. Es ist völlig absurd, dass Bezahlung und Ausbildung im Kindergarten am geringsten sind, wo doch Studien belegen, dass gerade im Frühkindalter der Grundstein für die meisten Ungerechtigkeiten gelegt wird.