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Der neue Antisemitismus

Von Heinz Kienzl

Gastkommentare
Heinz Kienzl ist Meinungsforscher und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

Während es sich bei den alten Antisemiten um Deutsche und Österreicher handelte, die den Juden das Deutschtum absprachen, sind die neuen Antisemiten meist Zuwanderer aus der Levante, die Antizionismus praktizieren.


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Um über den neuen Antisemitismus Klarheit zu schaffen, ist es erforderlich, den alten Antisemitismus zu beleuchten. Dieser beruhte auf einer heimtückischen Lüge, dass nämlich die Juden keine Deutschen seien. Nun haben die deutschen Juden deutsch gesprochen, deutsch empfunden und waren der produktivste Teil ihrer Nation. Von Heinrich Heine bis Lise Meidner, von Mendelsohn Bartholdy bis Paul Ehrlich, von Ferdinand Lassalle bis Viktor Adler - der übrigens Mitglied einer Burschenschaft war und sicher die "Wacht am Rhein" mitgesungen hat - bezeugen dies oben genannte Beispiele.

Würde man aber alle zitieren und ihre wichtigsten Leistungen benennen, die sie für Deutschland erbracht haben (da es kein Binnen-Ö gibt, sollte man bei Deutschland immer auch Österreich dazudenken), ein Buch im Lexikonformat würde kaum reichen. Für die Leistungen der Antisemiten würde eine Klosettrolle genügen.

Von den deutschen Juden kann wohl gesagt werden, dass sie gerade einige hebräische Stoßgebete kannten und einige zusätzliche Feste feierten. Das reichte offenbar nicht zur Ausgrenzung. Daher haben die Antisemiten von Friedrich Wilhelm Marr bis Georg Heinrich Ritter von Schönerer die Rassentheorie erfunden. Leicht war es nicht, die deutschen Juden als eigene Rasse zu definieren, und auch Heinrich Himmlers Rassenforscher sind blamabel gescheitert. Sie haben gemessen und gewogen und nichts herausgefunden.

Ganz klar, denn wie man heute weiß, haben jedenfalls die deutschen Juden Gene von allen europäischen Völkern. Josef Goebbels, ein Schweinchen Schlau, erfand daher die jüdische "Rassenseele". Die braucht man nicht zu suchen, man muss nur daran glauben. Die Propaganda der Nazis war aber so stark, dass sie den deutschen Juden ihr Deutschtum vermieste.

Nun wird heute sehr oft vom neuen Antisemitismus gesprochen und geschrieben, er wird groteskerweise von Zuwanderern aus der Levante nach Europa praktiziert. Sie sprechen meist eine semitische Sprache - mit Ausnahme der Türken und Iraner. Dieser Antizionismus, denn darum geht es ihnen, hat natürlich ebenso wie der alte Antisemitismus auch gesellschaftliche Wurzeln. Die Zuwanderer fühlen sich nicht gleichwertig, so wie die alten Antisemiten. Deren Vorleistungen geben ihnen eine ideologische Basis. Bruno Kreisky hätte es grotesk genannt, dass Semiten Antisemitismus betreiben.

Dann gibt es aber noch einen anderen Aspekt, und um den muss es uns gehen. Für jeden gebildeten und anständigen Deutschen und Österreicher ist der Holocaust ein Trauma. Wenn er nun Handlungen und Äußerungen zum Nahost-Konflikt von Mitgliedern der israelischen Regierung hört und wahrnimmt, ist das Balsam für seine Verwundung. Aber hier muss man achtgeben, dass die Gefühlsregungen nicht überborden und vor allem nicht politisch missbraucht werden. Da wäre also ein "Caveat!" anzubringen.