Strache übersprang 20-Prozent-Hürde - Herbert Kickl: "Blaues Wunder."
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Wien. "Ruhe bewahren und abwarten, bis die Leichen der Feinde den Fluss hinuntertreiben." Diesen Rat gab der Historiker und FPÖ-Kenner Lothar Höbelt den Blauen zu Wahlkampfbeginn.
Und recht hatte er ganz offensichtlich. Denn die Berg- und Talfahrt, die die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache im vergangenen Jahr mitgemacht haben, wurde mit dem Ergebnis vom Sonntag gestoppt. Strache sprach am Abend gar von einer "Aufwärtsspirale" der FPÖ - im Gegensatz zur "Abwärtsspirale" der anderen Parteien. Bereits zuvor hatte Generalsekretär Herbert Kickl Strache als "Wahlsieger des Abends" bezeichnet und ein "blaues Wunder" gesehen.
Dabei hat es in den vergangenen Monaten gar nicht so rosig ausgesehen für die Blauen. Noch vor einem Jahr hat Strache siegessicher das Kanzlerduell für 2013 ausgerufen - und die Umfragen sahen ihn tatsächlich nahe an der Volkspartei, gelegentlich sogar darüber. Doch dann kam die Konkurrenz aus Kanada: Mit der Gründung des Teams Stronach hatten die Protestwähler plötzlich ein "frisches" Auffangbecken - die Partei vertritt ähnliche Ansichten wie die Blauen, servierte dazu Wirtschaftskompetenz und Kleingeld für die Urnengänge.
Das - und der chaotische Zustand der freiheitlichen Splittergruppen in Kärnten - führten dazu, dass die Wahlen im Frühling für Strache zum Minenfeld gerieten. Der Stimmenverlust der FPK in Kärnten (minus 28 Prozentpunkte) war absehbar - wenn auch nicht in diesem Ausmaß.
Parteichef mit wenig Macht in den Ländern
Geschadet hat den Freiheitlichen auch die Debatte danach, als sich Strache lange nicht gegen die drei Ex-BZÖler Gerhard Dörfler, Harald Dobernig und Hannes Anton durchsetzen konnte. Erst nach langem Hin und Her und im Abtausch gegen einen Bundesratssessel für Dörfler konnten die drei dazu gebracht werden, auf ihre Mandate zu verzichten. Ähnlich durchsetzungsschwach zeigte sich Parteichef Strache in Niederösterreich, wo Spitzenkandidatin Barbara Rosenkranz, mit der ihn ohnehin kein besonders gutes Verhältnis verbindet, ihren Landesratssessel an das Team Stronach abgeben musste. Nach heftigem Tauziehen dankte Rosenkranz als Parteichefin ab - sie bekommt dafür neuerlich ein Mandat im Nationalrat. Straches Wunschkandidat Walter Rosenkranz wurde mit nur 50 Prozent zu ihrem Nachfolger gewählt.
Mehr schlecht als recht konnten die Turbulenzen vom Frühjahr befriedet werden, als Strache wieder zum Kanzlerduell rief, nahm man ihm das nicht wirklich ab. Im Wahlkampf selbst zeigte sich Strache umtriebig wie immer, fiel aber nicht besonders auf. In den TV-Duellen wie auf der Straße betete er seine Themen - EU, Ausländer und Soziales - herunter. Einzige Überraschung stellte die "Nächstenliebe"-Kampagne dar: Ungewöhnlich weich legte Mastermind Kickl die Plakate an, um eine Welle später wieder mit "Österreich zuerst"-Plakaten gegen "Asylbetrüger" zu wettern.
Dass die Blauen nun doch über die 20-Prozent-Hürde sprangen, liegt dementsprechend wohl weniger an der eigenen Kampagne als an dem unter den Erwartungen gebliebenen Team Stronach. Parteigründer Frank Stronach hat sich mit skurrilen Aussagen ("Todesstrafe für Berufskiller") doch zu sehr ins Aus geschossen.
Für ein Kanzlerduell hat es nicht gereicht, aber Strache ist dennoch der einzige Spitzenkandidat der alten im Nationalrat vertretenen Parteien, der besser als erwartet abgeschnitten hat. Die FPÖ hat Ruhe bewahrt, nicht einmal die Urteile im Telekom-Prozess konnten ihr schaden.