Zum Hauptinhalt springen

Der neue Stil des Dr. Spin

Von Clemens Neuhold

Politik

Überlebenstipps für die Regierung von SPÖ-Urgestein und PR-Mann Josef Kalina.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Mit Josef Kalina und Andreas Rudas betraten in den späten 90er Jahren "Spindoktoren" die politische Bühne des Landes. Als Sprecher von Viktor Klima machte Kalina die Hochwasser-Gummistiefel zum bevorzugten Schuhwerk besorgter Politiker. Kalina begann vor 30 Jahren als Redakteur der Sozialistischen Korrespondenz und arbeitete schon unter Alfred Sinowatz und Franz Vranitzky für die SPÖ. Auch heute "spint" er Bundeskanzler Werner Faymann in "Feedback-Runden"; mit seiner privaten PR-Firma spinnt er Netzwerke.

"Wiener Zeitung": Sind Sie der Spindoktor von Bundeskanzler Werner Faymann?Josef Kalina: Nein, aber wir sind seit 30 Jahren befreundet. Es gab vor der Wahl Feedback-Runden, an denen ich teilnahm. Dabei werden Situationen beleuchtet und durchdiskutiert.

Wer sind jetzt die wichtigsten Spindoktoren der SPÖ?

Das weiß ich nicht.

Glaub ich nicht.

Bei der SPÖ läuft das nach einem anderen Modell als bei uns damals. Ich oder später ein Daniel Kapp (Pressesprecher von ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll, Anm.) hatten mehr Spielraum. Den Pressesprechern von Werner Faymann wird die Botschaft relativ klar vorgegeben, vom Kanzler persönlich oder dessen rechter Hand, Josef Ostermayer. Mit diesem Modell gelingt es der SPÖ relativ gut, mit einer Zunge zu sprechen. Faymann selbst hört sich viele Meinungen an und trifft dann im engeren Team eine Entscheidung.

Sie oder die Ex-Sprecherin von Wolfgang Schüssel, Heidi Glück, gründeten PR-Agenturen. Ist Polit-Beratung heute privatisiert?

Externe Berater sind in der SPÖ nichts Neues. Wenn Du nur Leute aus der Partei anhörst, wirst Du unbeweglich.

Bekommen Sie nur SPÖ-nahe Aufträge?

Gar nicht. Unsere Kunden kommen hauptsächlich aus der Wirtschaft - von Danone bis zur Wirtschaftskammer Tirol.

Welchen "neuen Stil" empfehlen Sie Werner Faymann?

Ich würde mich an beide Parteien wenden, die eine Regierung bilden wollen: Definiert zwei besonders wichtige Projekte und zieht sie durch, egal, wie groß die Widerstände in den eigenen Reihen sind. Und schielt nicht auf die nächste Landtagswahl, schon gar nicht auf die Nationalratswahl. Das wäre ein wichtiger Überraschungsmoment, wenn SPÖ und ÖVP über ihre Schatten springen und der staunenden Öffentlichkeit ein ordentliches Reformpaket vorlegen.

Dieselben Personen verhandeln wieder über dieselben Themen. Ein langer und breiter Schatten ...

Das stimmt. Ich habe den neuen Stil in 20 Jahren nicht erlebt. Aber Sie müssen den Sprung einfach schaffen. Das ist die letzte Chance der großen Koalition. Wenn bei der Präsentation des Regierungsprogramms rauskommt, das ist "more of the same", na dann gute Nacht!

Die zwei Themen müssen wohl Bildungs- und Steuerreform sein. Bei den Steuern löst sich der Handlungsspielraum gerade in Luft auf. Es wird schon von Sparpaketen gesprochen. Hieße das dann nicht automatisch "gute Nacht"?

Ohne Bildungslösung geht es nicht. Betreffend der Budgetdebatte enthüllt sich mir der Sinn des "Blut, Schweiß und Tränen"-Spins der ÖVP nicht.

Sie glauben nicht an das große Loch im Haushalt?

Das muss die Finanzministerin erklären.

Ist der neue Stil schon spürbar?

Ja. Es ist ein gutes Zeichen, dass hinter verschlossenen Türen verhandelt wird und noch keine Heckenschützen am Werk sind.

Kennen Sie Kapitel aus der Geschichte der großen Koalition, in denen der neue Stil regierte?

Im ersten Jahr der Regierung Klima ging einiges weiter, in der Sanierung des Staatshaushaltes oder beim Privat-Fernsehen. Dann merkte Wolfgang Schüssel, dass das hauptsächlich Klima nutzte, und stieg mit beiden Beinen auf die Bremse.

Warum soll das bei Faymann-Spindelegger anders laufen?

Weil Spindelegger sonst auch weg ist. Welcher Langstreckenläufer attackiert schon zu Beginn? Gute Läufer bleiben lange im Windschatten und attackieren erst in der Zielgerade. Außerdem: Sollte er als Chef der zweitstärksten Partei Finanzminister werden, ist das bei mittlerweile sechs Parteien nicht das schlechteste.

Was halten Sie von einer optionalen Zusammenarbeit SPÖ-FPÖ?

Langfristig sollte sich die SPÖ allen staatstragenden Kräften öffnen, das sind die Grünen, aber auch die FPÖ, wenn es ihr gelingt, die Hetze einzustellen. Das sind aber gehörige Trümmer, die sie beseitigen muss.

Warum verliert die SPÖ seit Jahrzehnten?

In einer Zeit, wo die großen ideologischen Gräben überwunden sind, ist die SPÖ zu wenig Mittelstandspartei. Sie darf nicht jede Diskussion auf Mindestrentner und Mindestsicherungsbezieher runterbrechen - die wichtig sind, aber ohnedies nicht so schlecht versorgt sind. Sie muss Marktanteile ausweiten.

Im Wahlkampf ging es der SPÖ hauptsächlich um Pensionisten.

Das war keine Kampagne, um Marktanteile auszuweiten, sondern um sie zu halten.

Der Boulevard liebt es, wenn die Fetzen fliegen. Wie lange lässt sich da der Streichel-Stil durchhalten?

Medien, egal welche, haben keine Moral. Das Hauptinteresse ist Konflikt. Das kann die Regierung schüren oder nicht.

Was sagt der Spindoktor eigentlich zu Twitter?

Finde ich sensationell. Es ist für mich Nachrichtenagentur und wie eine ständige Brieffreundschaft mit alten Bekannten. Meine Frau neckt mich schon und nennt Twitter meine zweite Familie.