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Herr S. möchte Frau K. heiraten. Aber vorher musst du mir helfen, fordert Herr G., ihr Bruder. Ich will mich auch verehelichen, mit Fräulein B., die ist isländische Meisterin im Dreikampf und hat 'ne Macke: Sie heiratet nur den, der sie besiegt. Nun bin ich leider ein unsportlicher Typ . . . Kein Problem, sagt Herr S., ich hab' meine Tarnkappe dabei . . . Davon erzählt das mittelhochdeutsche "Nibelungenlied", das bekanntlich so beginnt: "Uns ist in alten maeren wunders vil geseit."
Heute haben uns derlei wundersame Geschichten nur noch dann was zu sagen, wenn sie zeitgemäß nacherzählt werden. Eben dies haben der Dramatiker Moritz Rinke und der Fernsehregisseur Dieter Wedel für die Nibelungen-Festspiele in Worms getan - 3sat zeigte am Wochenende die vollständige Uraufführung, eine Fernsehfassung ist im ZDF am 29. September zu sehen.
Vor der Kulisse des Kaiserdoms läuft eine moderne Familiensaga ab, die über weite Strecken von heiter-humoristischer Gemütsart ist: Der Nibelungen-Clan besteht aus lauter schrägen Typen, die 'nen flotten Umgangston draufhaben. "Tschüss, Siegfried" hört man da oder "Total bekloppt", Kriemhild klettert auf Bäume, ein Fahrradbote bringt News vom Kriegsschauplatz, bis Wedel seinen Humor verliert und ein szenisches Schlachtfeld bestellt, auf dem es von Blut und Pathos nur so trieft. Thomas Gottschalk, einer der Premierengäste, fand's klasse.