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Der Niedergang der Alpine hat viele Väter

Von Karl Leban

Wirtschaft

Bundeshaftung wird schlagend: Republik einer der größten Gläubiger.


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Wien. Nach den gescheiterten Bemühungen um eine Rettung blieb nur noch der Gang zum Insolvenzgericht. Am Mittwoch war es für die schwer marode Alpine damit so weit. Die Pleite des Salzburger Bauriesen ist eine Insolvenz der Superlative, die in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt, selbst die Konsum-Pleite. So betragen die Passiva 2,563 Milliarden Euro, die Aktiva hingegen nur 661 Millionen Euro. Demnach ist die Alpine Bau, die operative Kerngesellschaft der Gruppe, mit mehr als 1,9 Milliarden Euro überschuldet.

Deren Insolvenz dürfte freilich nicht die letzte gewesen sein, es dürften noch weitere Dominosteine in dem aus gut 200 Firmen bestehenden Konzern fallen. Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) rechnet jedenfalls mit Folge-Insolvenzen - so etwa nicht nur für die Dachgesellschaft Alpine Holding, sondern auch für eine Reihe von Auslandstöchtern. Der Alpine-Konzern ist in 30 Ländern tätig und hat weltweit rund 15.000 Mitarbeiter.

Von der jetzigen Pleite der Alpine Bau - sie repräsentiert das Österreich-Geschäft - sind vorerst rund 6500 Mitarbeiter betroffen. Einer der größten, wenn nicht der größte Gläubiger ist die Republik Österreich, die 2009 Kreditgarantien übernommen hat und nun - weil diese Haftungen schlagend geworden sind - 150 Millionen Euro bezahlen muss. "Damit reiht sie sich in den Kreis der Gläubiger ein", erklärt Kantner.

Das Wiener Handelsgericht hat das Insolvenzverfahren noch am Mittwoch eröffnet, Insolvenzverwalter ist der Wiener Rechtsanwalt Stephan Riel. Die Alpine Bau hat vor, sich über einen Sanierungsplan zu entschulden. Der zielt darauf, alle gesunden Teile mitsamt den dazu passenden Beteiligungen in einen neuen Baukonzern auszugliedern. Auf diese Weise sollen rund 4600 Mitarbeiter ihren Job behalten können.

Indes sollen alle nichtlebensfähigen Geschäftsteile laut dem Sanierungsplan abgewickelt werden. Der Erlös aus all dem, was sich verkaufen lässt, soll den Gläubigern zugutekommen. Ihnen bietet die Alpine eine Befriedigungsquote von 20 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme. Für den Bund hieße das, dass er von seinen 150 Millionen Euro nur noch 30 Millionen sehen würde.

Mehr als 400 Millionen Euro wären notwendig gewesen

Die erste Gläubigerversammlung findet am 4. Juli statt. Über den Sanierungsplan selbst wird nach der Sommerpause - am 12. September - abgestimmt werden, wie der Gläubigerschutzverband Creditreform mitteilte. Falls die Gläubiger nicht mitspielen sollten, käme es wohl - ähnlich wie vor Jahren bei der A-Tec von Mirko Kovats - zur völligen Zerschlagung des Konzerns.

Um so wie Anfang März nochmals die Kurve kratzen zu können, hätte die Alpine laut Kantner mehr als 400 Millionen Euro frisches Geld gebraucht. Der spanische Eigentümer FCC hatte in den Verhandlungen mit den kreditgebenden Banken zunächst zwar zugesagt, sich mit ihnen an diesem finanziellen Kraftakt zu beteiligen, diese Zusage dann jedoch plötzlich wieder zurückgezogen. "Die Spanier haben uns wie eine heiße Kartoffel fallen lassen", zitiert die APA Alpine-Betriebsratschef Hermann Haneder.

Noch in der Nacht auf Dienstag hatte es mehrere Telefonate zwischen österreichischen Politikern, der FCC-Führung und Bankenvertretern gegeben. Der Tenor: "Alles war Euphorie, wir schaffen es", so Sozialminister Rudolf Hundstorfer in seiner kurzfristig einberufenen Pressekonferenz zur Alpine-Pleite. Am Dienstag um 14 Uhr kam dann der Anruf, erzählt Hundstorfer. "Und alles war anders."

Laut Betriebsrat haben die Finanzprobleme der Alpine im November des Vorjahres begonnen. FCC habe aber immer signalisiert, hinter dem Unternehmen zu stehen. Vor zwei Wochen seien zwar Probleme mit spanischen Banken bekannt geworden, doch FCC habe weiterhin Unterstützung versprochen, heißt es beim Betriebsrat. Bis Montag sei man sich dessen noch sicher gewesen.

Jahrelang "viel zu aggressiv

um Bauaufträge gerittert"

Dass die Spanier dann doch nicht bereit waren, Geld zur Verfügung zu stellen, hat damit zu tun, dass ihnen ihre Banken den Geldhahn zugedreht haben. FCC sitzt selbst auf einem riesigen Schuldenberg und hat ab Sommer 2006 in den Alpine-Konzern alles in allem bereits mehr als 700 Millionen Euro "investiert". Darin inkludiert sind die Kosten für die Übernahme sowie Kapitalspritzen. In Wiener Finanzkreisen ist man denn auch überzeugt: "Der Insolvenzantrag für die Tochter in Österreich war vorbereitet und lag als ‚Ultima Ratio‘ schon länger griffbereit in der Schublade." Anders ist nicht zu erklären, warum er bei Gericht so rasch eingebracht wurde.

Die massiven Probleme der Alpine sind nicht über Nacht hereingebrochen, sondern über etliche Jahre angesammelt worden. Analysten, die anonym bleiben wollen, sagen, der Konzern habe in der Vergangenheit "viel zu aggressiv um Aufträge gerittert" - nämlich mit Dumpingpreisen, um seine Konkurrenten zu unterbieten. "In der Kalkulation ist da offensichtlich einiges schiefgelaufen", wie betont wird. Und das habe vor allem bei mehreren Großprojekten hohe Verluste beschert.

Auch Auslandsexpansion

zu forsch vorangetrieben

Ein weiterer Punkt betrifft die aus Expertensicht zu aggressive Auslandsexpansion des 1964 gegründeten Unternehmens. Diese Expansion begann vor etwa einem Jahrzehnt - noch in der Ära des damaligen Alpine-Chefs und -Miteigentümers Dietmar Aluta-Oltyan (siehe Porträt auf Seite 10) - und führte nach Südosteuropa und in Länder wie China, Singapur und Kanada. Der seit April neu amtierende Alpine-Chef Arnold Schiefer räumt ein, dass man sich dort die Finger verbrannt habe. Das Unternehmen sei von den Strukturen her nicht darauf vorbereitet gewesen, das Gros der massiven Verschuldung stamme von dort.

2012 sank die Bauleistung der Alpine von 3,6 auf 3,2 Milliarden Euro. Die Verluste lagen nach vorläufigen Zahlen bei rund 450 Millionen Euro. Eine endgültige Bilanz fehlt noch immer. Im ersten Quartal erlitt der Konzern einen Verlust von 90 Millionen Euro.