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Der neue russische Präsident sollte sich vor allem um die Krisenherde Inguschetien und Tschetschenien kümmern. Was sein Vorgänger dort hinterlassen hat, bedarf einer tiefen Änderung.
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Man darf gespannt sein, ob der neue russische Präsident Dmitri Medwedew sich vom Vorgänger Wladimir Putin emanzipieren und seinen eigenen politischen Stil etablieren wird können, oder ob er Putins treue Marionette bleibt, wie von vielen Experten erwartet wird. Direkt von dieser Entwicklung wird auch die zukünftige Lage im Nordkaukasus abhängen.
Inguschetien, die westliche Nachbarrepublik Tschetscheniens, stellt derzeit das Hauptproblem im Nordkaukasus dar, regelmäßig kommt es zu Überfällen auf Soldaten und Polizisten. Die Bevölkerung ist aufgrund der Unfähigkeit, die Sicherheit in der Republik zu gewährleisten, mit dem von Putin unterstützten Präsidenten Inguschetiens, Murat Ziazikow, verständlicherweise unzufrieden. Hält auch Medwedew an Ziazikow fest, könnte es bald zum Überlaufen des Fasses und zur Verschlimmerung des Konflikts kommen.
Weniger explosiv, aber gleichzeitig weniger friedlich präsentiert sich die Lage im benachbarten Tschetschenien. Seit Ramsan Kadyrows offizieller Machtübernahme vor gut einem Jahr herrscht in Tschetschenien ein Klima der Angst, des Personenkults, der Korruption und der Ausbeutung einfacher Menschen, die für den Wiederaufbau zahlen, während der junge Präsident seinen Fuhrpark erweitert.
Um das Schicksal Tausender, durch den Krieg psychisch kranker Kinder - viele von ihnen sind Halbwaisen oder Invalide - kümmern sich indes vorwiegend NGOs, denen von russischen Behörden das Überleben immer schwerer gemacht wird. Während die Hauptstadt Grosny prächtig renoviert und medial präsentiert wird, herrscht in vielen Teilen Tschetscheniens immer noch eine humanitäre Notlage vor.
Kadyrow ist Mitglied eines einflussreichen Clans, Führer einer Privatarmee, die mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die verbleibenden Rebellen (es kommt nach wie vor regelmäßig zu Kämpfen zwischen Rebellen und Sicherheitskräften) in Schach hält. Und er ist ehrgeizig: Zeitgleich mit den russischen Parlamentswahlen im Dezember 2007 wurde in Tschetschenien ein Referendum abgehalten, das dem 31-jährigen tschetschenischen Präsidenten unbeschränkte Amtszeiten sichert. Bei einer Ende 2007 in Grosny durchgeführten Umfrage haben 39 Prozent der Befragten geantwortet, die Sicherheitssituation in Tschetschenien habe sich seit Kadyrows Amtsantritt im März 2007 nicht verbessert, insgesamt 21 Prozent waren der Meinung, die Lage habe sich sogar verschlechtert.
Es liegt an Russlands Präsident Medwedew, den Putin-Intimus Kadyrow durch einen vertrauenswürdigen, gesetzestreu handelnden Präsidenten zu ersetzen, vor dem die Tschetschenen nicht zu Tausenden flüchten. Mit einem Präsidenten, der den Menschen die Perspektive einer friedvollen Zukunft gibt, vor allem jenen 57 Prozent der Tschetschenen, die einen weiteren Krieg in Tschetschenien für durchaus möglich halten.
Bleibt zu hoffen, dass Medwedew seine Ankündigung, Putins Politik fortzuführen, in Bezug auf den Nordkaukasus noch einmal überdenkt.
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