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Bagdad - Als die Glühbirne beim Druck auf den Lichtschalter aufflackert, springt Josra Asaad vor Freude in die Luft. "Strom ist wieder da!" rufen die Nachbarn. Frauen spenden Beifall, einige Männer geben Salutschüsse ab. Seit dem Stromausfall zu Kriegsbeginn hat die 42-jährige Josra Asaad kaum geschlafen. Mit ihrem ältesten Sohn bewachte sie in der Nacht ihr Haus vor Dieben. Tagsüber macht ihr noch immer der Wassermangel zu schaffen. Auch für ihre sieben Jahre alte Tochter gibt es nur eine Minimalration.
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Bagdad feiert in diesen Tagen zwar das langsame Ende des seit mehr als drei Wochen andauernden Stromausfalls. Doch noch liegen in der Nacht weite Teile der Stadt in Dunkelheit. Erst allmählich können Bäckereien wieder Brot backen, und die Kläranlagen laufen nur langsam an. Trotz den Schwierigkeiten zeigt das Leben in der Stadt nach dem Chaos und der Anarchie der vergangenen Wochen aber wieder erste Anzeichen von Normalisierung. Die Straßen sind gefüllt mit zurückströmenden Familien, die vor den Bomben aufs Land geflüchtet waren. Auch Lastwagen, die Obst für die Märkte liefern, sind wieder zu sehen.
Manche Autofahrer bleiben auf den Brücken über den Tigris stehen, steigen aus und blicken auf die Palastanlagen des gestürzten Präsidenten. Vor kurzem war Aussteigen hier noch streng verboten.
Doch weiter fließt kein sauberes Wasser aus den Wasserhähnen. Ärzte befürchten die Ausbreitung von Cholera und Typhus. Schon gibt es erste Verdachtsfälle in den Krankenhäusern. 50 bis 60 Prozent der kleinen Patienten im El-Iskan-Kinderkrankenhaus leiden unter Austrocknung und Durchfall. der Arzt Ahmed Abdul Fattah vermutet, dass es sich dabei um Cholera und Typhus handelt. Sicherheit hat er aber nicht: Die Labors sind für Test nicht gerüstet. Doktor Fattah betet, dass wenigstens die Notstromaggregate in der Station für die Neugeborenen noch halten.
In modernen Krankenhäusern sind Seuchen wie Cholera und Typhus relativ gut zu behandeln. Aber Arzneimittel sind derzeit in Bagdad einfach nicht ausreichend vorhanden. In ihrer Not halbieren manche Ärzte die Antibiotika-Dosierungen. Das kann vielleicht einigen Patienten kurzfristig das Leben retten, aber die langfristigen Folgen sind verheerend. Denn damit erhöht sich die Resistenz der Erreger gegen die Medikamente.
Ohne richtige Behandlung sterben an Cholera 50 bis 80 Prozent der Erkrankten. Besonders für Kinder und alte Menschen bedeutet die Seuche oft den Tod.