Wie groß ist der Schritt von 20 Prozent auf 90 Prozent? Nicht so groß, meint der deutsche Physiker Götz Neuneck - die Urananreicherung wird mit steigender Konzentration des Isotops U-235 immer leichter, erläutert er. Deshalb könne der Iran in einem halben Jahr ein gutes Stück auf dem Weg zur Atombombe vorangekommen sein, wenn die Bedingungen stimmen.
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Zum Bau einer Nuklearwaffe werden freilich nicht nur hoch angereichertes Uran, sondern noch andere technische Raffinessen benötigt. Bis zur allseits gefürchteten atomaren Bewaffnung des Iran wird es also noch dauern - vielleicht mit ein Grund dafür, dass Präsident Mahmoud Ahmadinejad betont, dass man die Bombe zwar bauen könnte, aber nicht will.
Am stärksten bedroht von den möglichen iranischen Plänen fühlt sich Israel, bisher die einzige Macht im Nahen Osten, die - auch wenn dies offiziell nie zugegeben wurde - über Atomwaffen verfügt. Die "antizionistischen" Tiraden ertönen seit der Gründung der Islamischen Republik Iran. Israel will dies aber nicht als reine Rhetorik gelten lassen, denn man betrachtet als Lehre des Holocausts: "Wenn dir jemand mit Auslöschung droht, dann glaube ihm." Über ein militärisches Einschreiten Israels gegen den Iran wird daher in Jerusalem immer wieder debattiert, ohne Genehmigung und Unterstützung der verbündeten USA wäre ein solches aber kaum möglich. Und diese gaben sich bisher stets zurückhaltend. Das könnte sich allerdings ändern, je näher die Bedrohung rückt.
Äußerst skeptisch gegenüber einer iranischen Bombe zeigen sich aber auch die arabischen Staaten, nicht nur, weil sie im Falle einer atomaren Auseinandersetzung gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen würden. Misstrauisch beäugen die sunnitischen Nachbarn die Expansionslust der schiitischen Perser, der die US-Invasion im Irak den Boden bereitet hat und die sich auch auf den Libanon und den Gaza-Streifen erstreckt. Speziell Saudi-Arabien und Ägypten fühlen ihre dominierende Rolle in der Region gefährdet.
Eine solche zu erlangen, dürfte auch das zentrale Anliegen der iranischen Führung sein. Ähnlich den Nordkoreanern geht es ihr wohl um Einfluss und internationale Anerkennung. Dass diese nur als Schreckgespenst zu haben ist, nimmt man gern in Kauf, hofft man doch darauf, dass die im Kalten Krieg praktizierte nukleare Abschreckung auch gegen Angriffe etwa durch Israel wirkt.
Das Gleichgewicht des Schreckens beruhte allerdings darauf, dass sich lediglich zwei anscheinend gleichwertige Gegner gegenüber standen. Je mehr Staaten über Atomwaffen verfügen, desto wackeliger wird es - vor allem, wenn sie, wie der Iran oder auch das bereits atombewaffnete Pakistan, im Inneren instabil sind.