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Der oberste Medienhalawachl

Von Martin Ploderer

Gastkommentare

Vor Jahren wusste der legendäre Watschenmann allwöchentlich von einem seltsamen Lande zu berichten, dessen Ähnlichkeit mit irgendeinem real existierenden Staat niemals gewollt war, sondern stets nur rein zufällig erscheinen konnte. Dieses schöne Land, Halawachei genannt, in dem die Grausbirnen von Jahr zu Jahr üppiger wuchsen, wurde von lauter netten Halawachln bevölkert. Neueste Nachrichten lassen uns aufatmen: Es gibt sie vielleicht doch noch, die fröhliche Halawachei...


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Denn jüngst fragte ein Halawachl einen anderen Halawachl, wer denn die wahre Macht im Staate ausübe. Da meinte der zweite Halawachl zum ersten Halawachl, dass dies doch ohne Zweifel der Zar sein müsse. "Aber", entgegnete der erste Halawachl, "wir haben doch schon lange keinen Zaren mehr!" "Oh doch", meinte der zweite Halawachl, "und was für einen! Wir haben einen Medienzampano, auch Medienzar genannt!" "Ach so", meinte da der erste Halawachl, "und worin äußert sich dessen Macht?" "Na, das ist doch ganz einfach: Der Zar schreibt, was er sich denkt, und das ganze Land redet dann darüber", erläuterte der zweite Halawachl.

"Und das ist dann schon ein Ausdruck von Macht?", wollte der erste Halawachl wissen. "Na und ob!", bekräftigte der zweite Halawachl. "Erst kürzlich hat der oberste Medienhalawachl seine Leser und damit die ganze Halawachei wissen lassen, wen er sich an der Spitze der Halawachei wünschen würde, und dabei gleich zwei Halawachl aus der selben Familie genannt!" "Ja, aber so etwas wird bei uns doch durch unbeeinflusste und freie Wahlen entschieden?", fragte da der erste Halawachl.

"Prinzipiell schon", meinte der zweite Halawachl. "Wahlen wird es dafür schon geben. Aber in der Halawachlerischen Konstitution steht nichts davon, dass die vierte Gewalt hier nicht auch mitreden dürfte." "Ja, was ist denn das schon wieder?", zeigte sich der erste Halawachl verblüfft: "Die vierte Gewalt?" "Na ja", meinte der zweite Halawachl, "das ist jene Fabrik, in der eine große Anzahl von Halawachln ihre Gedanken erzeugen lässt. Wenn sie keine Lust haben, sich einen eigenen Reim auf die Ereignisse im Lande und in der Welt zu machen, dann kaufen sie sich ihre Meinung eben in Form einer kleinformatigen Tageszeitung. Die hat schon alles vorgedacht."

"Und was hat das zu bedeuten, Halawachl?", fragte der erste Halawachl. "Na, ganz einfach", erklärte der zweite Halawachl, "bei uns in der Halawachei zählt nur die Meinung eines einzigen Mannes: jene des obersten Medienhalawachls. Und der macht sich einen Spaß daraus und schaut jetzt, wie weit er gehen kann. Und so, wie es ausschaut, spielt die ganze Halawachei sein Spielchen mit! Habe ich jetzt deine Frage nach der Macht in der Halawachei ausreichend beantwortet?"

Wie gut, dass es die Halawachei nur in der Phantasie gegeben hat.

Martin Ploderer ist Business Developer bei Eucusa, Gesellschaft für Mitarbeiter- und Kundenorientierung.