Tschechiens Regierungspartei will Neuwahlen unbedingt vermeiden.
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Prag. Die Bürgerlichen Demokraten (ODS) haben Tschechien geprägt wie keine andere Partei. Gegründet von dem Ex-Präsidenten und Ökonomen Vaclav Klaus fanden hier die wirtschaftsliberalen Kräfte zusammen. Seit der Gründung der Tschechischen Republik 1993 gewann die ODS mehrere Wahlen und saß den Großteil der Jahre auf der Regierungsbank. Doch mit dem unrühmlichen Ende des bisher letzten ODS-Premiers Petr Necas, der aufgrund einer Abhöraffäre zurücktrat, fürchtet die Partei den großen Absturz, der ODS drohen die Wähler davonzulaufen.
Deshalb will sie Neuwahlen unbedingt vermeiden. Das Problem ist nur: Mit dem Rücktritt des Premiers fiel die gesamte Regierung, die nur noch kommissarisch die Geschäfte führt. Für ein neues Kabinett fehlt den Koalitionsparteien ODS, Top 09 und Lidem die Mehrheit, sie müssen sich zumindest eine zusätzliche Stimme besorgen, was aber nicht ganz unwahrscheinlich ist. Zudem obliegt es Präsident Milos Zeman, den neuen Premier zu ernennen. Der Staatschef soll eine Beamtenregierung, die das Land bis zum nächsten Wahltermin führt, bevorzugen. Dagegen wehrt sich aber die Regierungspartei Top 09 von Karel Schwarzenberg.
Seine Partei würde dann lieber das Parlament auflösen, sagte am Dienstag der Fraktionsvorsitzende der Top 09, Petr Gazdik, der Zeitung "MF Dnes". Top 09 dürfte bei Neuwahlen die ODS überholen und stärkste konservative Kraft werden. Wenn sie sich nun mit den Sozialdemokraten (CSSD) und Kommunisten zusammenschließt, wären die für eine Parlamentsauflösung notwendigen 120 Stimmen beisammen.
Die CSSD wiederum kann sich zurücklehnen und abwarten. Sie liegt in den Umfragen vorne - wenn sie sich keinen gröberen Schnitzer erlauben, werden die Sozialdemokraten die nächsten Wahlen gewinnen, egal ob es sich dabei um Neuwahlen handelt oder der Urnengang planmäßig im Frühling 2014 stattfindet.
Die ODS hingegen wird noch länger mit der jüngsten Affäre zu kämpfen haben. Denn es geht nicht nur darum, dass Jana Nagyova, die Büroleiterin von Necas, dessen Ehefrau abhören ließ. Immer stärker werden auch unsaubere Verbindungen von ODS-Politikern zu dubiosen Lobbyisten greifbar. Deren detaillierte Aufarbeitung dürfte noch dauern. Sollte es der ODS also nun noch einmal gelingen, eine Regierung aufzustellen, wäre das wohl nur ein Aufschub ihres Absturzes.