Konflikt in dem bitterarmen Land wird vom Diamanthandel befeuert.
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Bangui/Wien. Es war ein Eingeständnis der eigenen Schwäche: Dass er noch zu seinen Mitbürgern sprechen könne, sei nur dem Militäreinsatz des Nachbarlandes Tschad zu verdanken, sagte der Präsident der Zentralafrikanischen Republik, Francois Bozize, bei seiner Neujahrsansprache in der Hauptstadt Bangui. "Sonst wären wir alle nicht hier."
Im Eiltempo hat ein Rebellenbündnis namens Seleka, was übersetzt "Allianz" bedeutet, weite Teile des bitterarmen Landes erobert. Die Armee leistete kaum Widerstand und floh oft Hals über Kopf vor den Aufständischen. Die Offensive führte die Rebellen, ein Zusammenschluss aus drei Milizen, bis auf 75 Kilometer an die Hauptstadt Bangui heran. Doch dann haben Soldaten aus dem Tschad, die Bozize zur Hilfe eilten, Stellung bezogen und den Vormarsch damit gestoppt. Nach anfänglichem Zögern haben sich nun auch der Kongo, Kamerun und Gabun der Intervention des Tschad angeschlossen.
Der Präsident ist mittlerweile ohne fremde Hilfe wehrlos und ohnmächtig. In den vergangen Wochen wandte er sich an die USA und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, ihn im Kampf gegen die Rebellen beizustehen. Doch der 66-Jährige erhielt nur Abfuhren, obwohl beide Länder Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik stationiert haben.
Die USA setzen aber ihre Einheiten nur ein, um die grausame Miliz "Lord’s Resistance Army" zu jagen, die nichts mit den Seleka-Rebellen zu tun hat. Und in Paris ließ Präsident Francois Hollande bereits verlauten, dass die französischen Truppen lediglich deshalb in der Zentralafrikanischen Republik seien, um französische Staatsbürger und Interessen zu schützen. Schon bei seinem Amtsantritt hatte Hollande das Ende von "Francafrique" ausgerufen, eine jahrzehntelange Politik, in der Paris in afrikanischen Ländern offen in Machtkämpfen intervenierte. So konnte auch Bozize im Jahr 2006 noch auf Frankreich zählen, das ihn damals militärisch bei der Niederschlagung eines Aufstandes unterstützte.
Rebellen sind zu Verhandlungen bereit
Diesmal blieben dem Präsidenten nur die Staaten aus der Region. Der Tschad hatte Bozize schon unterstützt, als er sich 2003 an die Macht putschte. Seitdem ließ sich das Staatsoberhaupt zwei Mal in Wahlen bestätigen. Nun dürfte das Eingreifen anderer afrikanischer Länder Bozize vorerst gerettet und die Rebellen dazu bewogen haben, ihre Offensive zu stoppen und Friedensverhandlungen zuzustimmen.
Ob die Gespräche ein Ergebnis bringen werden, ist aber fraglich. Bozize hat seinen Gegnern eine Regierung der nationalen Einheit angeboten. Doch diese verlangen den Rücktritt des Staatsoberhaupts - wozu Bozize freilich nicht bereit ist.
Generell ist die derzeitige Situation typisch für die Zustände in dem Land, das eines der ärmsten der Welt ist. Seit der Unabhängigkeit 1960 kam es ständig zu Putschen und gewaltsamen Aufständen, bei denen oft auch die Nachbarstaaten oder Frankreich mitmischten. Bündnisse und Fronten werden dabei schnell gewechselt. So war Präsident Bozize zunächst ein Verbündeter seines Vorgängers Ange-Felix Patasse, den er später stürzte.
Als Grund für die derzeitige Revolte geben die Rebellen an, dass Bozize Versprechen nicht eingehalten habe. Er hatte zugesichert, dass im Rahmen eines Friedensprozesses, der vorangegangene Aufstände beilegen sollte, Rebellen in die Armee eingegliedert und bezahlt werden. Doch das sei nicht geschehen, beklagen die Aufrührer. Die Zivilbevölkerung leidet jedenfalls unter dem Konflikt - sowohl vonseiten der Regierungssoldaten als auch der Rebellen kam es laut Augenzeugen zu Übergriffen.
Seine Gegner werfen Bozize Vetternwirtschaft vor, doch auch gegenüber den Rebellen sind viele Beobachter skeptisch. Denn in der Regel war es in der Zentralafrikanischen Republik so, dass zwar die große Armut und der Ärger über korrupte Regierungen den Rebellengruppen Fußsoldaten in die Arme trieben. Aber den Anführern ging es zumeist nur darum, selbst an Macht und Geld zu gelangen.
Edelsteine bringen der Bevölkerung nichts
Denn in der Politik des Staates geht es immer auch um Diamanten, von denen das Land reiche Vorkommen besitzt. Und sie befeuern auch den gegenwärtigen Konflikt. In einem Bericht aus dem Jahr 2010 schreibt die renommierte Denkfabrik "International Crisis Group", dass Bozize das Geschäft mit den Edelsteinen ausnutze, damit sich Angehörige seiner Ethnie, der Gbaya, bereichern können. Doch mittlerweile ist die Stadt Bria, das Zentrum des Diamanthandels, in der Hand der Aufständischen.
Das Gros der Bevölkerung profitiert nicht von den Edelsteinen: Die in den kaum industrialisierten Minen beschäftigten Arbeiter leben im Elend, die gefundenen Edelsteine verkaufen sie weit unter ihrem Wert an Zwischenhändler. Ihr Arbeitswerkzug besteht zumeist lediglich aus einer Spitzhacke und einer Schaufel, und immer wieder geschehen tödliche Unfälle, etwa wenn Grubenwände einstürzen, berichtet die "Crisis Group." Auch sonst leidet die Bevölkerung unter der Armut. Hungersnöte suchen das Land heim, es gibt eine hohe Kindersterblichkeit und kaum Krankenhäuser. Die Chancen, dass sich an diesen Zuständen etwas ändert, sind gering. Die Korruption rund um das Diamantgeschäft hat sich tief eingegraben - unabhängig davon, wer gerade an der Macht ist.