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Der Öko-Investor im Definitionsdschungel

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Die Pariser Klimaziele werden sich ohne private und institutionelle Investoren nicht stemmen lassen. Dass sich diese bisher zurückgehalten haben, hat einen guten Grund. Bis jetzt war nicht einmal klar, was als grünes Investment gelten kann.


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Brüssel. Dass die Umsetzung der Pariser Klimaziele sehr viel Geld kosten wird, liegt auf der Hand. Schließlich muss für eine Welt, die weitgehend ohne fossile Brennstoffe auskommen soll, vieles ersetzt oder überhaupt gänzlich neu errichtet werden. Alte Kohlekraftwerke müssen gegen moderne Gaskraftanlagen getauscht werden und Autos mit Verbrennungsmotor gegen Modelle mit Elektroantrieb. Ebenso braucht es neue energieeffiziente Gebäude und Elektrogeräte sowie Hochleistungstrassen, die den Strom von Offshore-Windparks in küstenferne Regionen bringen. 180 Milliarden Euro, hat die EU-Kommission ausgerechnet, müssen pro Jahr investiert werden, um den Treibhausgasausstoß bis 2030 um die versprochenen 40 Prozent zu senken.

Dass diese gewaltige Summe von der öffentlichen Hand alleine nicht zu stemmen sein wird, ist klar. Denn auch zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise und trotz der vergangenen Boom-Jahre sind die Haushalte vieler Staaten nach wie vor angespannt. In die Bresche sollen daher nach Willen der EU-Kommission private und institutionelle Investoren springen, doch bisher haben sich die grünen Investments als sperrige Materie erwiesen, die im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen kaum über Marktanteile verfügt. So machten nachhaltige Anlagen Ende 2016 nicht einmal drei Prozent des gesamten Anlagevolumens im deutschen Sprachraum aus.

Verantwortlich dafür ist aus Sicht der EU-Kommission vor allem die bis heute ungeklärte Frage, was denn überhaupt unter "grün" zu verstehen ist. Denn bisher hat das, was etwa in Spanien als grünes Investment angesehen wurde, nicht notwendigerweise auch die Nachhaltigkeitskriterien in Schweden oder Frankreich erfüllt. Internationale Fondsgesellschaften legten wiederum ihre ganze eigenen und kaum vergleichbaren Maßstäbe an. Laut einer Studie der Stiftung Warentest haben etwa viele als nachhaltig vermarktete Fonds die klimaschädliche Kohle- und Ölindustrie nicht als Anlagemöglichkeit ausgeschlossen. "Derzeit macht sich jeder seine Kriterien selbst", sagt Alexandra Amerstorfer, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmen Kommunalkredit Public Consulting, das Ende Jänner den heuer ganz im Zeichen der nachhaltigen Finanzierung stehenden Austrian Climate Change Workshop veranstaltet hat.

Zwei EU-Gütesiegel kommen

Allerdings zeichnet sich im fast schon babylonischen Klassifizierungsdickicht langsam Licht am Ende des Tunnels ab. So hat sich die EU, in der seit dem Frühjahr 2018 an einem umfassenden Aktionsplan zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums gearbeitet wird, in der Nacht auf Dienstag auf erste konkrete Maßnahme geeinigt. Künftig soll es demnach zwei Gütesiegel geben, die grüne Investments einheitlich und nachvollziehbar auszeichnen. Als wegweisend gilt dabei vor allem das sogenannte Paris-Label, das noch deutlich weiter geht als die primär als Übergangsmodell gedachte Climate-Transition-Benchmark. Denn mit dem Paris-Siegel dürfen nur solche Anlagen ausgezeichnet werden, die im Einklang mit der 2015 in der französischen Hauptstadt beschlossenen Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius stehen. "Der Übergang zu einer emissionsarmen, nachhaltigen Wirtschaft erfordert, dass wir Geschäftstätigkeiten und Investments neu denken", sagte der rumänische Finanzminister Eugen Teodorovici, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat. "Künftig wird es für Investoren einfacher sein, klimafreundliche Projekte auszuwählen."

Welche Unternehmen und Fonds mit dem Paris-Label ausgezeichnet werden können, wollen Experten in den kommenden Monaten feststellen und anschließend eine entsprechende Liste vorlegen. Schon jetzt steht allerdings fest, dass sich in dieser Aufstellung auch Namen finden könnten, die vor nicht allzu langer Zeit als Inbegriff des Klimasünders gegolten haben. So hat etwa das Schweizer Bergbau-Unternehmen Glencore, das in der Vergangenheit massiv in Kohleminen investiert hat, in der Vorwoche dem Druck einer großen Investorengruppe nachgegeben und erklärt, sich künftig den Pariser Klimazielen verpflichten zu wollen.

Klimawandel als Finanzrisiko

Dass es ein massives Umdenken unter den Investoren und in der Finanzwirtschaft gibt und die Erderwärmung mittlerweile als finanzielles Risiko betrachtet wird, zeigt aber nicht nur das Beispiel Glencore. So gibt es mittlerweile zahlreiche hochspezialisierte Unternehmen wie das in Zürich ansässige Fintech-Startup Carbon Delta, die Investoren mit ausgeklügelten Datenanalysemodellen dabei helfen, Klimawandelrisiken in ihren Portofolios zu identifizieren und umzustrukturieren.

Dass sich der Wind zu drehen beginnt, bekommen nicht zuletzt auch die großen Fondsgesellschaften und Banken zu spüren. So berichteten fast alle beim Austrian Climate Change Workshop anwesenden Fondsmanager und Investmententscheider von einer massiv gestiegenen Nachfrage nach nachhaltigen Anfragen. Wenn man die entsprechenden Kriterien nicht erfülle, brauche man bei vielen Investoren nicht einmal vorstellig werden, sagte Adam Lessing, der bei der Fondsgesellschaft Fidelity für Mittel- und Osteuropa zuständig ist.