Erhard Busek und Wolfgang Schüssel haben um das Amt des ÖVP-Obmanns gekämpft, weil sie homines politici mit einem gesunden Machtinstinkt waren. Wilhelm Molterer strebte das Amt nicht an, er übernahm es aus Pflichtgefühl.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Josef Pröll, den sie am Parteitag durch die Bank Sepp nannten, musste nicht um das höchste Amt der Volkspartei greifen, es wurde ihm auf dem silbernen Tablett serviert. Was natürlich nicht heißt, dass Pröll nicht wüsste, Macht zu erwerben und sie gemäß seinen Interessen anzuwenden. Das gehört zur genetischen Grundausstattung der Niederösterreichischen ÖVP, aus der Pröll kommt, auch wenn er in Wien begann, die Karriereleiter aufzusteigen und seit seinem Studium auch in Wien wohnt.
Nicht zuletzt auch deshalb weiß Pröll selbst nur zu gut, dass ihm die Basis der Partei nur widerwillig in die Neuauflage der großen Koalition folgt. Die Steirer wettern nur am lautesten dagegen, tatsächlich sprechen sie vielen aus dem Herzen. Der Kopf, vor allem jener der schwarzen Granden, weiß jedoch, dass es zu Rot-Schwarz keine Alternative gegeben hat. Schon gar nicht für Pröll, der überzeugt ist, nur aus der Regierung heraus die Chance zu haben, nach den nächsten Wahlen Kanzler zu sein.
Pröll muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Partei ist willig, ihm zu folgen, das ist vielleicht die Hauptbotschaft, die von diesem Parteitag ausgeht. Wohl auch deshalb, weil es - wie bei der großen Koalition - keine Alternative gibt. Und weil er Selbstvertrauen versprüht. Wie sagte Kroatiens Premier Ivo Sanader so treffend zu seinen Parteifreunden in Wels: "Ich kenne keinen Pessimisten, der sein Ziel erreicht hat." Der Name Pröll hat in der Volkspartei einen ganz besonderen Klang.
Nicht zuletzt deshalb trauen ihm die meisten zu, die Partei wieder in einen schlagkräftigen Apparat zu verwandeln. Diesbezüglich liegt vor allem die Bundespartei im Argen. Daneben droht es aber die ÖVP in einigen Ländern zu zerbröseln. Die Bundeshauptstadt rangiert als Sorgenkind nicht zuletzt wegen ihrer Größe ganz oben - jeder fünfte Wähler lebt in Wien. In Kärnten droht die ÖVP im März unter die 10-Prozent-Marke zu fallen, und Salzburger und Steirer haben sich noch immer nicht vom Schock des Machtverlusts erholt.
Inhaltlich steht der neue ÖVP-Obmann vor einer fast unmöglichen Gratwanderung. Aus den Medien schallt den Schwarzen der Ruf nach programmatischer Öffnung entgegen: Bei der Gesamtschule, der Homo-Ehe, der Integration müsse sie sich bewegen. Die verbliebenen Kernwähler zieht es dagegen nach rechts, in der Gesellschaftspolitik, beim Umgang mit Ausländern und beim Umgang mit Sicherheit und Kriminalität. Wie schon 1999 lockt wieder die FPÖ. Pröll, der Onkel, zeigt in Niederösterreich vor, wie dieser Spagat samt Nitsch-Museum gelingen kann. Pröll, der Neffe, muss nun aufzeigen, wie es bundesweit klappen kann. Das erste Zeugnis kommt schneller als ihm lieb sein kann: Am 1. März wählen Kärnten und Salzburg.