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Der "optimale Privatisierungsjob"

Von Erika Bettstein

Wirtschaft

In einer außerordentlichen Sitzung hat der Aufsichtsrat der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) am Donnerstag, dem 21. Juni, den Zuschlag für den Verkauf der 41,13% Bundesanteile an der Austria Tabak (AT) AG um 10,6 Mrd. Schilling an den britischen Tabakkonzern Gallaher genehmigt. Ein weiterer "Ausverkauf der heimischen Wirtschaft" (Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger), eine "Verscherbelung heimischer Werte" (ÖGB-Vize Rudolf Nürnberger) oder eine "Nacht- und-Nebel-Aktion" (Betriebsräte in der ÖIAG-Gruppe), so lautete die Kritik am Tag danach. Für Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist der Deal ein "Musterbeispiel einer Privatisierung", und ÖIAG-Vorstandsvorsitzender Johannes Ditz sprach bei der Bekanntgabe des Verkaufs am Freitagmorgen vor Journalisten von einem "optimalen Privatisierungsjob".


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Tatsache ist, dass sich mit der AT-Privatisierung der Schuldenstand der ÖIAG auf rund 28 Mrd. Schilling reduziert - damit hätte die Industrieholding "in nur eineinhalb Jahren zur Stabilisierung gefunden", erklärte Ditz: "Der Zinsenaufwand ist nun nicht mehr höher als die mögliche Dividende". Selbst, "wenn keine einzige Privatisierung mehr gelänge, ist die ÖIAG-Gruppe damit gesichert", so Ditz.

Marke und Jobs bleiben, Produktion könnte zulegen

Bezahlt hat Gallagher 770 Mill. Euro (10,6 Mrd. Schilling) für die insgesamt 9,049.681 AT-Aktien - also 85 Euro je Aktie und damit deutlich mehr, als der Donnerstag-Schlusskurs von 78 Euro auswies. "Der Kaufpreis spiegelt die Arbeit des AT-Vorstandes und der Belegschaft wider", betonte Ditz. Vor allem die Professionalität, die das AT-Vorstandsduo Heinz Schiendl und Jörg Schram auch während des Privatisierungsverfahrens bewiesen hätten, wäre für den "Anstieg der Wertschätzung des Unternehmens durch die internationalen Bieter" ausschlaggebend gewesen. Wobei Gallaher nicht nur das beste, sondern auch das höchste Angebot gelegt hätte. Als Zielkriterien für den Zuschlag nannte Ditz die Fortführung des Großhandels unter Wahrung der Neutralität, die Beibehaltung der Trademark "Austria Tabak" sowie die "weitestgehende" Beschäftigungssicherung in Österreich. Wegen der laut Nigel Simon, Business Development Director bei Gallagher, "hervorragenden Produktivität" in den AT-Fabriken sei sogar daran gedacht, Produktion nach Österreich zu verlegen. Laut Ditz solle das "Produktions- und Handelsvolumen zumindest gleich bleiben"; Gallaher hätte einen den Zielkriterien entsprechenden Businessplan bis 31.12.2004 vorgelegt, der auch die Beibehaltung des AT-Managements vorsieht. Ein guter Plan für Schiendl, dessen Vertrag bis 2003 läuft, eine "Überlegung" für Schram, der in diesem Herbst in Pension gehen wollte.

In Europa der viertgrößte Zigarettenhersteller

Simon zeigte sich "begeistert, aufgeregt und enthusiastisch für die Zukunft" - Gallaher steigt durch den Kauf zum viertgrößten Zigarettenhersteller in Europa nach Philip Morris, BAT und Altadis auf und erwartet aus dem Kauf eine Konsolidierung der Marktposition in Europa, eine breitere Abdeckung der internationalen Märkte sowie die Erweiterung des eigenen Markenportfolios.

Das Proforma-Produktionsvolumen der erweiterten Gruppe wird heuer in Westeuropa bei 57 Mrd. (weltweit: 120 Mrd.) Stück Zigaretten liegen. Simon erwartet jedenfalls "eine bessere Ausgangsposition für das weitere Wachstum" vor allem auch in Zentral- und Osteuropa. Wie Schiendl und Simon betonten, würden sich die beiden Unternehmen nicht nur hinsichtlich der regionalen Marktpositionen, sondern auch im Hinblick auf die produzierten Marken und die Unternehmensphilosophie "hervorragend ergänzen". Ein neues Geschäftsfeld eröffnet sich für Gallaher zudem mit dem von der AT in den vergangenen Jahren höchst erfolgreich entwickelten Großhandel.

Nach dem österreichischen Übernahmegesetz muss Gallaher den übrigen Aktionären ein gleichwertiges verbindliches Angebot machen, das laut Gallaher jedenfalls in Cash und nicht in Aktien erfolgen werde. Finanziert werden soll die Transaktion fremd, rund 150 Mill. Pfund sollen durch eine Neuemission von Gallaher-Aktien refinanziert werden - wobei sich der britische Tabakkonzern durch den Kauf eine wesentliche Steigerung des Gewinns je Aktie erwartet und die Kapitalrendite im ersten vollen Geschäftsjahr über den Kapitalkosten liegen soll.

"Grundsätzlich keine Freude mit dem Verkauf" äußerte AT-Zentralbetriebsratsvorsitzender Reinhard Hasenhüttl gegenüber der "Wiener Zeitung", aber unter den gegebenen Umständen hätte man "die beste Lösung für die Belegschaft" gefunden. Er sieht der Zukunft "zuversichtlich" entgegen.

Die zügige Verkaufsentscheidung prägte auch den folgenden Ablauf: Um 0.45 Uhr in der Donnerstagnacht teilte AT-Pressesprecher Hubert Greier via Handy den Pressetermin um 8.15 Uhr mit - "mit Rücksicht auf die internationale Financial Community, wie eben der Tradesale einer börsenotierten Gesellschaft mitgeteilt werden muss", wie Ditz zur müden Journalistenschar sagte.