Banken und Medienunternehmen haben nicht nur einen leicht verbesserungsfähigen Ruf gemeinsam, beide leben darüber hinaus vom gleichen Kapital: dem Vertrauen ihrer Kunden. Geht dieses verloren, hat eine Bank ein ebenso ernsthaftes Problem wie ein Medium.
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Ganz besonders gilt das natürlich für sogenannte Qualitätsmedien und das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Ohne den Tag für Tag aufs Neue eingelösten Anspruch auf journalistisch saubere Arbeit und das daraus generierte Vertrauen verlieren derartige Medien schlicht und ergreifend ihre Existenzgrundlage.
Deshalb ist das Faktum, dass ein ORF-Redakteur rechtsradikale Skinheads im ORF-Auto zu einer FPÖ-Veranstaltung bringt, nicht bloß eine Frage der Optik. Wenn sich der Zuschauer nämlich künftig beim Betrachten einer Dokumentation jedes Mal fragen muss, was am Gesehenen unbeeinflusste Realität ist und was nach der Methode "Rent a Mob" zu Stande gekommen ist, hat der ORF ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsprolem.
Das Problem verschwindet auch nicht dadurch, dass der ORF-Journalist Christian Schüller den Vorgang gleichsam als Rekonstruktion von Wirklichkeit erklärt: "Wenn die beiden Rechtsradikalen sagen, dass sie zu der betreffenden Veranstaltung gehen wollen, wollen wir es nicht unbedingt riskieren, dass sie diesen Termin zwar im letzten Moment verpassen, aber dafür drei Wochen später hingehen." Da stellt sich schon die Frage: Welches ist bitte das Interesse des ORF daran, dass rechtsradikale Skins nicht eine FPÖ-Kundgebung verpassen?
Dass sich die Empörung innerhalb der Medienbranche über diese journalistische Entgleisung in überschaubaren Grenzen gehalten hat, dürfte einen simplen Grund haben: Die große Mehrheit der Medienmacher - den Autor dieser Kolumne inkludiert - hält Herrn Strache und seine FPÖ für eine eher ungustiöse Partie.
Und trotzdem - wenn nicht sogar gerade deshalb - ist es ein schwerer journalistischer wie politischer Fehler, aus dieser Abneigung heraus in eine Art von "Der-Zweck-heiligt-die-Mittel"-Attitüde zu verfallen und unfairen Journalismus dann augenzwinkernd zu tolerieren, wenn er nur den Richtigen trifft.
Es wäre dies ein journalistischer Fehler, weil der Leser oder Zuseher dergleichen überhaupt nicht schätzt und mit Vertrauens entzug reagiert, was letztlich auch wirtschaftlich ins Auge gehen kann. Es wäre dies aber auch ein schwerer politischer Fehler, denn Strache und die FPÖ werden durch unfaire Attacken - vor allem Attacken der Medien - nicht schwächer, sondern stärker. Schon Jörg Haider hat diesen Effekt zu nutzen verstanden.
Dem ORF stünde es daher gut zu Gesicht, das eh Offenkundige auch offen auszusprechen: dass hier ein Fehler gemacht wurde, der erkannt wurde und nicht wiederholt werden wird. So, und nicht durch patziges Wegwischen, stellt man die Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Anstalt wieder her.