Gertrude Aubauer ist nur das jüngste Beispiel: Seit Jahrzehnten bedienen sich Österreichs politische Parteien beim ORF, wenn es darum geht, die eigenen blassen Reihen mit bekannten Stimmen und Gesichtern aus Funk und Fernsehen aufzuputzen: Helmut Zilk, Franz Kreuzer, Ursula Stenzel, Josef Broukal, Theresia Zierler, Hans Kronberger, Reinhard Jesionek, Karin Resetarits . . . Die Liste ist eindrucksvoll lang.
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Der Grund für das innige Verhältnis zwischen Parteien und ORF liegt natürlich in der öffentlich-rechtlichen Eigentümerstruktur des Unternehmens: Nach österreichischer Lesart führt diese früher oder später verlässlich zu einem mehr oder weniger direkten Einfluss der Parteien. Die überwiegende Mehrzahl der ORF-Führung und -Journalisten lässt sich deshalb einer Partei, zumindest aber einem politischen Lager zuordnen. Wobei daran zu erinnern ist, dass zu einer Partnerschaft immer zwei gehören. Nullgruppler sind eben eine rare Spezies.
Natürlich steht es jedem frei, sich in und für Parteien zu engagieren - je mehr desto besser. Für Journalisten - und alle anderen Bereiche von ähnlicher öffentlicher Sensibilität - sollte dabei allerdings die strikte Trennung von Beruf und persönlichen politischen Überzeugungen selbstverständlich sein. Die wechselnden Vorwürfe vom Rotbeziehungsweise Schwarzfunk deuten jedoch darauf hin, dass diesbezüglich gerade beim ORF nicht immer alles zum Besten steht.
Die offensichtliche Attraktivität von ORF-lern für die Politik hat aber noch einen anderen Grund. Und der liegt im Selbstverständnis von Österreichs größtem Medienunternehmen. Der Küniglberg sieht sich selbst als zentrale Definitionsanstalt für die Marke Österreich. Dazu braucht es die passenden Gesichter für PR-Zwecke. Und die müssen aufgebaut, gehegt und gepflegt werden.
Natürlich wird der ORF hier vorwiegend im eigenen Haus fündig. Und weil es heutzutage vorrangig auf die Wertschöpfungskette ankommt, vermarktet der ORF gleich in Eigenregie seine Marken-Gesichter. Die treten dann in den Werbepausen als Werbeträger für zahllose private Unternehmen in Werbespots auf, die wiederum im eigenen Medium ausgestrahlt werden. Ein perfektes System einer geschlossenen Gesellschaft in einer - fast - geschlossenen elektronischen Medienlandschaft. Wer dabei mitspielen darf, bestimmt einzig der ORF, weil er allein den potenziellen Werbeträgern den notwendigen Bekanntheitsgrad zum Nulltarif verschaffen kann.
Dieser Logik, der die privaten werbewilligen Unternehmen folgen, wenn sie bekannte ORF-Gesichter für ihre Werbung anheuern, können sich naturgemäß auch die politischen Parteien nicht entziehen. Schließlich ist es sehr viel einfacher, Prominenz einzukaufen als in mühsamer Kleinarbeit selbst aufzubauen. Irgendwann, in einer ruhigen Stunde, sollten sich die Parteien aber doch fragen, ob es langfristig nicht doch sinnvoller ist, auf die eigene Nachwuchsarbeit zu vertrauen.