Zum Hauptinhalt springen

Der Orkan "Weimar"

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bis vor kurzem sind die Koalitionsverhandlungen, sagen wir höflich, mittelgut verlaufen. Das Fehlen einer strategischen Steuerung von oben hat etliche Arbeitsgruppen zu Ergebnissen gebracht, die weder gewollt noch beabsichtigt waren. Das Kopfschütteln der Bürger wird heftiger, vermutlich werden in den kommenden Umfragen die Werte von SPÖ und ÖVP gut sichtbar nach unten rutschen.

Das allein ist schon Garant, dass die Koalitionsverhandlungen bald abgeschlossen werden. Neuwahlen wären für beide Parteien desaströs. Und für die Volkspartei ist es zu spät, um abzuspringen und sich in die Opposition zu retten.

Die vermittelte Ideenlosigkeit der Langzeit-Regierungsparteien bringt allerdings in viele politische Salon-Debatten ein Vokabel, das alle Alarmglocken schrillen lassen muss: Weimar.

Die "Weimarer Republik" Deutschlands von 1918 bis 1933 steht für eine saft- und kraftlos gewordene Demokratie mit einem Parlament, das heranstürmenden radikalen Kräften (damals die NSDAP) nichts mehr entgegensetzte.

Die politischen Parteien Österreichs sind auch 2013 aufgerufen, ihrer Verantwortung nachzukommen. SPÖ und ÖVP sollen ein ordentliches Paket auf den Tisch legen, fundierte Analysen zu den Sachgebieten gibt es mehr als genug.

Und die Abgeordneten sollten Demokratie als etwas wahrnehmen, das geschützt und verteidigt gehört. FPÖ-Chef Strache sagte im "OÖN"-Interview, eine Minderheitsregierung würde nicht unterstützt, weil sie demokratisch nicht legitimiert sei. Ja, warum denn nicht? Diese Regierung müsste sich für Gesetzesvorhaben im Parlament jeweils eine Mehrheit suchen - das ist eine großartige Legitimation. Doch Strache unterliegt - wie viele Abgeordnete und Funktionäre auch anderer Parteien - dem Trugschluss, dass die Regierung alles beschließt und sich die Abgeordneten nur brav von den Sitzen zu erheben haben.

Um eine Demokratie widerstandsfähig zu halten, ist ein aufrechter Gang von Abgeordneten unumgänglich. Dazu gehört auch, dass die Abgeordneten sich und die Institution Parlament ernst nehmen. Beispielsweise durch Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Auswirkungen von Gesetzen, und nicht dumpfes Hinhauen auf politisch Andersdenkende. Möglich, dass ein neuer Koalitionsvertrag nicht das Gelbe vom Ei sein wird, doch es liegt an den Parteien und dem Parlament, dies zu korrigieren.