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"Der Papierakt wird wohl nie verschwinden"

Von Eva Stanzl

Wirtschaft
Der Gerichtsakt: im elektronischen System geordnet, auf Papier gelesen. Foto: ddp pool

Elektronische Akten, auf Papier dupliziert. | "Nur das Medium hat sich verändert". | Wien.Heimische Klein- und Mittelunternehmen rechnen mit einem rasanten Anstieg der elektronischen Datenflut. 67 Prozent der von der Karmasin Motivforschung befragten 200 Betriebe gehen von einer Verdoppelung des Datenvolumens bis 2011 aus. 25 Prozent befürchten sogar eine Verdreifachung. Ein Großteil ist der Ansicht, für das Management der Datenberge nicht ausreichend gerüstet zu sein.


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Von der Umrüstung auf digitale Prozessabwickung kann vor allem die Anwaltsbranche ein Lied singen. Sie muss seit der Novelle des ERV (Elektronischer Rechtsverkehr) von 2005 einen Großteil der Klagen beim Erstgericht elektronisch einreichen. Zudem legen Österreichs Anwälte derzeit ein digitales Urkunden-Archiv an ("Archivium", gegründet im Mai 2006).

"Die elektronische Klagseinreichung ist gelebte Praxis. Technische Anfangsprobleme sind weitgehend überstanden", weiß Axel Anderl, Spezialist für Internet-, und Wettbwerbsrecht bei der Wiener Kanzlei Dorda Brugger Jordis. Das System sei etwa bei Mahnklagen oder bei Verträgen, wo es rein um Geldbeträge oder juristische Inhalte geht, am effizientesten. "Wenn aber viele Beilagen nötig sind, wird es schwierig. Will man gewisse Passagen zwecks Prägnanz hervorheben, oder etwa im Internet-Recht einen Screenshot mitschicken, muss man extra ein PDF anhängen", sagt der Jurist.

Namen auf Knopfdruck

Nichtsdestotrotz: Ist eine Rechtssache einmal gespeichert, geht es flott dahin. "Wenn 50 Parteien eines Wohnhauses den Eigentümer klagen, sind alle 50 Namen auf Knopfdruck abrufbar, statt dass die Sektretärin sie bei jeder Aktennotiz neu eintippen muss", erklärt Heinz-Peter Neuwirth, Vizepräsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen in Wien. Die Datenflut habe sich zudem nicht erhöht, sondern "es hat sich das Medium verändert".

Startschwierigkeiten erlebt Jurist Anderl beim elektronischen Urkunden-Archiv, das künftig das Verschicken von Orginalen mit der Post ersparen soll. Anwälte müssen zunächst die Dokumente ihrer Mandanten einzeln einscannen und freigeben. Abrufbar seien die Dokumente nur mit Zugangscode, den sich der Anwalt persönlich von der Kammer abholen müsse.

Anderl, der insgesamt mit der elektronischen Abwicklung "sehr zufrieden" ist, weiß gleichermaßen aus der Praxis: "Der Papierakt wird wohl nie verschwinden". Obwohl man Dokumente elektronisch schneller finden könne, müsse man trotzdem alles ausdrucken, denn "niemand will ein 20-seitiges Urteil auf dem Bildschirm lesen".

Alexander Christian, Generalsekretär des Rechtsanwaltskammertags, bestätigt: "Es gibt genau so viele Papier-Akten, ja mehr, als vorher: Die Akten werden auf Papier dupliziert, als Backup". Auch beim Termin mit Mandanten nehmen Anwälte lieber die "Hard Copy" mit als den Laptop mit Server-Zugang.