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Für Benedikt XVI. sind Evangelium und soziales Engagement nicht zu trennen. | Auf der einen Seite belegen Farbbeutel gegen das Geburtshaus des Papstes in Marktl und verbale Attacken, etwa jene der Grünen gegen seine Positionen zu homosexuellen Partnerschaften und Kondomen, dass Benedikt XVI. in Deutschland nicht nur Freunde hat.
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Auf der anderen Seite ertönt "Be-ne-detto"-Jubel an allen Orten, an denen Benedikt XVI. persönlich auftritt, und erklingt Lob von vielen Seiten, zum Beispiel auch von einem Leipziger Imam, weil dieser Papst Hoffnung gibt - auch für den Dialog der Religionen, der nach "9/11" besonders wichtig geworden ist.
Mit Details wie Verhütungsmitteln gibt sich dieser Papst gar nicht ab, Assoziationen dazu herzustellen, etwa wenn er von Aids spricht, überlässt er anderen. Joseph Ratzinger ist in erster Linie Theologe, wie ihm auch die Pastorentochter Angela Merkel bescheinigte, und nicht Kirchenpolitiker oder Moralprediger. Sein Anliegen sind vor allem die existenziellen Fragen. Für ihn steht nicht ein bestimmtes sittliches Verhalten im Vordergrund, sondern die Beziehung zu Gott. Ist diese ernsthaft vorhanden, so ergibt sich daraus - meint Benedikt XVI. wohl zu Recht - auch ein Gefühl für Gemeinschaft und Verantwortung. Das Motto der Reise, "Wer glaubt, ist nie allein", deutet dies an.
Dabei gibt sich der Papst keinen Illusionen hin, wie schwer es heutigen Menschen im "vernünftigen", hochtechnisierten Westen fällt, eine Antenne für Gott zu entwickeln. Er weiß Bescheid über die "Schwerhörigkeit" moderner Menschen auf diesem Ohr und über die "vielen anderen Frequenzen", die hier hinderlich sind. Umso eindringlicher rief er die katholischen Familien zum Gebet und zum Messbesuch auf; und mahnte die Erzieher, Kinder und Jugendliche mit der Frage "nach dem Woher und Wohin unseres Lebens" zu konfrontieren.
In seiner bestimmten, aber unpolemischen Art tritt Benedikt XVI. gegen einen Zynismus auf, "der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht" und fordert von Freund und Feind Toleranz "vor dem, was anderen heilig ist". Für den Papst gibt Europa Menschen aus Afrika und Asien in dieser "Missachtung Gottes" ein schlechtes Beispiel: "Die Toleranz, die wir brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein."
Der deutsche Papst lässt aber auch deutlich erkennen, dass für ihn die christlichen Grundgebote - Gottesliebe und Nächstenliebe - nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. "Das Soziale und das Evangelium sind nicht zu trennen", betont er. Unüberhörbar ist dabei der Vorwurf, dass dem durchaus dankenswerten finanziellen Engagement kirchlicher Kreise in Europa für Sozialprojekte kein vergleichbarer Einsatz für Evangelisierungskampagnen gegenüberstehe.
Mangelnde Klarheit in seinen Grundpositionen kann man diesem Papst jedenfalls nicht vorwerfen. Dass sich die allgemeine Zustimmung zu diesen Positionen im Land Luthers und darüber hinaus in Grenzen hält, darüber kann der Beifall auf dieser Reise nicht hinwegtäuschen. Sie ist ein "Heimspiel" für Joseph Ratzinger, der unter seinen bayerischen Landsleuten auf eine treue Anhängerschaft zählen kann.
Am Rande zeigte sich, dass ein Papst seine Worte gar nicht vorsichtig genug wählen kann. Kaum hatte er, für einen Mann im 80. Lebensjahr verständlich, angedeutet, dies könnte der letzte Besuch in seiner Heimat sein, überschlugen sich schon die Gerüchte über seinen Gesundheitszustand. Wie der wirklich ist, wissen wohl nur seine Ärzte. Den meisten Beobachtern erscheint der Pontifex jedenfalls jünger und vitaler als bei seinem Amtsantritt im April 2005 - als hätte sein Ausruf von damals "Die Kirche lebt - und sie ist jung" ihm selbst wieder jugendliche Kraft verliehen.