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Der Papst auf Martin Luthers Spuren im Dialog mit einer "Nicht-Kirche"

Von Heiner Boberski

Analysen

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500 Jahre werden am 31.Oktober 2017 vergangen sein, seitdem Martin Luther seine berühmten 95 Thesen am Tor der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen hat. Er hat damit den Bruch zwischen der römisch-katholischen Kirche und den damaligen deutschen Kirchenreformern, der heutigen Evangelischen Kirche A.B. (Augsburger Bekenntnis), eingeleitet. Das in der Folge, insbesondere auch im mörderischen Dreißigjährigen Krieg, zerschlagene Porzellan konnte nie wieder gekittet werden.

Wie intensiv heute wirklich um eine Annäherung der getrennten christlichen Kirchen gerungen wird, wobei nie von Wiedervereinigung, sondern von "versöhnter Verschiedenheit" die Rede ist, darüber lässt sich streiten. Doch allem Anschein nach startet nun Papst Benedikt XVI. einen neuen Anlauf für verbesserte ökumenische Beziehungen, wenn er sich auf seiner Deutschland-Reise mit Vertretern der evangelischen Kirche just in jenem Kloster in Erfurt trifft, in dem einst Martin Luther als - noch katholischer - Augustinermönch mehrere Jahre lebte.

Die Beziehungen zwischen Rom und den Kirchen der Reformation sind immer wieder heftigen Klimaschwankungen unterworfen, zu denen beide Seiten ihren Beitrag leisten. Auf evangelischer Seite hat man naturgemäß nie damit gewartet, ob gewisse Reformen (zum Beispiel höchste Kirchenämter auch für Frauen, liberalere Sexualmoral) in der katholischen Kirche spruchreif werden könnten, sondern sie einfach durchgeführt. Auf katholischer Seite hat man darauf verschnupft reagiert und sich eher den orthodoxen Kirchen zugewendet, die zum Teil wieder den Katholiken vorwerfen, schon zu viel von alten Traditionen aufgegeben zu haben.

Es war typisch, dass bald nach der gemeinsamen katholisch-evangelischen Erklärung 1999 in der Frage der "Rechtfertigungslehre" (ob der Mensch durch seine guten Werke oder nur durch die Gnade Gottes zum Heil gelangen kann) Rom das Verhältnis zu den Evangelischen wieder selbst abkühlte. Laut dem Dokument "Dominus Iesus" von 2000, für das der heutige Papst als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom verantwortlich zeichnete, steht nur der katholischen Kirche die Bezeichnung Kirche zu. Die Orthodoxen bildeten immerhin "Teilkirchen", die Evangelischen, denen dieses 2007 vom Vatikan noch einmal bekräftigte Papier naturgemäß seither im Magen liegt, aber nur "kirchliche Gemeinschaften".

Und mit so einer "Nicht-Kirche" scheint der Papst - der, wie man ihn kennt, in der theologischen Grundaussage von "Dominus Iesus" kaum etwas zurücknehmen kann und wird - nun wieder verstärkt den Dialog zu suchen. Da mag auch die Einsicht walten, dass in Zeiten wie diesen Christen aller Konfessionen nur verlieren und nichts gewinnen können, wenn sie einander Prügel in den Weg werfen statt, wo immer es geht, zu kooperieren.