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Die Rücknahme der Exkommunikation der vier Weihbischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. hat hohe Wellen geschlagen, weil etwa zeitgleich ein zu Recht umstrittenes Interview mit einem der Weihbischöfe, Richard Williamson, an die Öffentlichkeit gedrungen ist, das in höchst fragwürdiger Weise den Holocaust thematisiert. Mit auffallender Einstimmigkeit titelten fast alle Zeitungen: "Papst rehabilitiert Holocaust-Leugner!"
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Durch den Umstand, dass das Wort "Leugner" im Deutschen im Singular und Plural gleich lautet, vermittelt dies irreführend den Eindruck, hier sei eine Gruppe von Holocaust-Leugnern rehabilitiert worden. Als "Leugner" kommt nur Williamson in Frage. Was diesen betrifft, so ist es gegenwärtig dennoch nicht korrekt, definitiv von einem Holocaust-Leugner zu sprechen. Vielmehr hat Williamson ein Interview gegeben, in dem höchst empörende Aussagen zum Holocaust enthalten sind. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob diese Äußerungen strafrechtlich relevant sind, wovon mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden muss. Indes: Es gilt zunächst die Unschuldsvermutung.
Aber auch wenn Williamsons Äußerungen ihn zum Holocaust-Leugner machen, ist er nicht in dieser Eigenschaft von Benedikt XVI. rehabilitiert worden.
Vielmehr wurde die Exkommunikation über ihn und drei weitere Bischöfe verhängt, weil diese ohne die Zustimmung des Papstes 1988 die Bischofsweihe empfangen hatten. Die Rücknahme dieser Kirchenstrafe ist der erste Schritt der Normalisierung des innerkirchlichen Status dieser Bischöfe. Die Exkommunikation hatte also keine Beziehung zu einer möglichen oder tatsächlichen Leugnung des Holocaust. Eine solche Leugnung wäre kirchenrechtlich keine Grundlage für Exkommunikation.
Wie in jeder Gruppierung gibt es auch in der Priesterbruderschaft St. Pius X. Strömungen. Williamson hat bis zuletzt sicher jene repräsentiert, die skeptisch waren, ob es dem Papst mit seinem Versöhnungsangebot ernst sei. Dem Vernehmen nach hat sich Williamson nun zumindest nach außen der die Einigung begrüßenden Linie angeschlossen. Trotzdem könnte es nach den durch Williamsons Äußerungen entstandenen Irritationen die eleganteste Lösung sein, wenn sich die vier Weihbischöfe des Procederes erinnerten, welches Erzbischof Lefèbvre 1988 vorgezeichnet hat: Wenn eine Einigung mit den römischen Autoritäten erzielt sei, würden die Bischöfe die Ausübung ihres Amtes in die Hände des Papstes zurücklegen. Wenn dieser wolle, könne er sie als Bischöfe verwenden.
Benedikt XVI. möchte jetzt ohne Zweifel dem Experiment "Tradition" einen abgesicherten Raum in der Kirche geben. Wenn die Weihbischöfe der beschriebenen Vorgehensweise folgen, wäre auch dem Papst aus der Zwickmühle geholfen: Er würde sich wohl entschließen, nicht alle vier Bischöfe in der Ausübung (!) ihres Amtes zu bestätigen. Damit wäre wohl empörten interreligiösen Zwischenrufen und der diplomatischen Funkstille der Wind aus den Segeln genommen.