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Der Papst und der Liberalismus

Von Rainer Ernst Schütz

Gastkommentare

"Papst rechnet mit Liberalismus ab", titelt "Der Spiegel" seinen Beitrag. Wäre diese Verkürzung richtig, es wäre nur zu verständlich: Schließlich rechnet der Liberalismus seit 200 Jahren mit dem Papsttum ab. Er rechnet ab mit dem Anspruch der Kirche, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein, er rechnet ab mit religiöser Intoleranz und mit den bisweilen katastrophalen Folgen, die eine unbeschränkte Machtausübung mit sich bringt.


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Der Papst fordert nun in der Enzyklika Caritas in veritate eine globale Autorität, um alles, insbesondere die Wirtschaft, zu steuern. Wir wollen hoffen, dass er dabei nicht einfach an sich selbst denkt. Und dass sich dahinter nicht eine neue Gegenreformation verbirgt. Aber offensichtlich ist, dass er an den Segen - im wahrsten Sinn des Wortes - zentraler Planung der Wirtschaft glaubt. Die Weltregierung, die damit natürlich gemeint ist, ist aber für Liberale ein Horror.

Wer eine friedliche Revolution wie in der DDR 1989 verhindert, weil es kein Land mit anderer Gesellschaftsordnung mehr gibt, wohin man flüchten könnte, zwingt Dissidenten zur Unterwerfung oder zum Bürgerkrieg. Nicht zuletzt deshalb wird in der Politologie vermutet, dass Weltregierungen schlussendlich immer totalitär sein werden. Ist das etwa das Ziel?

Aber bis zur Entstehung einer Weltregierung ist noch etwas Zeit. In dieser Zeit kann untersucht werden, wie sich hierarchisch und zentral geplante Organisationen entwickeln, und diese Entwicklung mit liberalen und marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaften vergleichen.

Die katholische Kirche ist jedenfalls hierarchisch organisiert. Von der einstigen totalen Dominanz ist sie heute weit entfernt. Es sind nur noch rund 73 Prozent der Österreicher katholisch. Viel bedeutsamer als diese Zahl ist aber der Befund, den das Meinungsforschungsinstitut Imas zu Ostern erhoben hat: Gerade einmal 47 Prozent der Österreicher glauben überhaupt noch an Gott.

Dies kann kaum als großer Erfolg des Kirchenmanagements interpretiert werden. Besonders besorgniserregend ist dabei der Umstand, dass immer noch 26 Prozent (73 Prozent minus 47 Prozent) der Österreicher, die laut eigener Aussage gar nicht an Gott glauben, in der katholischen Kirche organisiert sind. Das erinnert an die SED in der alten DDR und ist eine Schande sowohl für die Kirche, die in ihren Reihen Mitglieder duldet, die nicht einmal das Minimal-erfordernis mitbringen, als auch eine Schande für diese Kirchenmitglieder, die nicht den bescheidenen Mut aufbringen, zu ihrer Überzeugung zu stehen.

Angesicht solcher Zahlen mag man sich gar nicht vorstellen, was eine - womöglich nach den Moralvorstellungen des Vatikans agierende - Weltregierung mit sich brächte.

Rainer Ernst Schütz ist Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler LesetippDie Enzyklika zum Nachlesen