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Der Patient und seine Krankendaten

Von WZ Online

Wissen

Der Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Alois Stöger (S) zur Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) hat in der abgelaufenen Begutachtung wenig Befürworter gefunden. Praktisch von allen Seiten hagelte es heftige Kritik.


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Besonders umstritten ist der Plan, den Patienten eine weitreichende Verfügungsgewalt über ihre persönlichen Daten einzuräumen.

Nachdem bereits nach der Vorstellung des Entwurfs die ÖVP ihre Ablehnung klar gemacht hatte, kamen nun im Begutachtungsverfahren sowohl von den Ländern als auch von den Sozialpartnern und Interessenvertretungen sowie von Regierungskollegen deutliche Einwände gegen Stögers Pläne.

Mit ELGA sollen alle Dokumente und Befunde gespeichert werden, sofern sie für die Behandlung und Betreuung des Patienten erforderlich sind - Labor- und Radiologiebefunde, Entlassungsbriefe sowie Medikationsdaten. Die Daten müssen nach den Plänen Stögers nach festgelegten Fristen (sechs Monate bzw. drei Jahre) gelöscht werden, wobei eine Verlängerung möglich ist. Die Teilnahme gilt grundsätzlich für alle Patienten, der Patient kann aber jederzeit der Speicherung seiner Daten entweder ganz oder für einzelne Teile widersprechen.

Bei besonders sensiblen Daten (etwa Psychiatrie, HIV oder Schwangerschaftsabbruch) erfolgt die Aufnahme in ELGA nur nach ausdrücklicher Zustimmung. Auf die Daten zugreifen dürfen Gesundheitsanbieter nur zur Behandlung von Patienten. Für Ärzte ist die Teilnahme mit wenigen Ausnahmen verpflichtend. Als erster großer ELGA-Bereich ist am Freitag bereits die e-Medikation in drei Pilotprojekten gestartet. Damit kann sowohl der Apotheker als auch der Arzt und das Krankenhaus sehen, welche Medikamente bzw. Wirkstoffe ein Patient schon einnimmt, um mögliche Mehrfachverordnungen und Wechselwirkungen zu verhindern.

Opt-In statt Opt-Out

Vor allem die sogenannte Opting-Out-Möglichkeit, mit der Patienten selbst entscheiden können, ob sie der Speicherung der Daten ganz oder teilweise widersprechen, sorgt für heftige Kritik. Für das Land Salzburg stellt dies "die Sinnhaftigkeit und den Nutzen eines mit hohem finanziellen Aufwand zu implementierenden Systems überhaupt in Frage".

Das Finanzministerium sieht die angestrebten Nutzungseffekte "jedenfalls eingeschränkt", wenn der Patient selbst entscheidet, ob und in welchem Umfang er an ELGA teilnimmt. Für die Arbeiterkammer und für Vorarlberg wäre eine Opt-In-Lösung besser, mit der die Patienten im Einzelfall von sich aus entscheiden, ob sie teilnehmen wollen. Auch die Apothekerkammer bittet "dringend", eine Opt-In-Phase bis 2015 vorzusehen. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt fordert, dass im im Falle der Opt-Out-Lösung der Patient "verständlich und individuell" informiert werden müsse. "Der Patient muss im Vorfeld wissen, wer wann und warum auf seine Daten zugreifen will und welche Folgen eine Zugangsverweigerung haben könnte". Tirol beklagt sich, dass die Länder entgegen einer Vereinbarung bisher nicht in den Gesetzgebungsprozess eingebunden worden seien und behält sich ausdrücklich die Auslösung des Konsultationsmechanismus vor.

Lückenhafte Daten

Für die Ärztekammer ist ELGA in der vorliegenden Form nicht sinnvoll umzusetzen, da das System "große Lücken" aufweist. Auch die Ärztekammer fordert ein Opt-In-System. Ebenso wie die Arbeiterkammer machen auch die Ärzte auf Haftungsprobleme aufmerksam, wenn der Arzt nicht alle Daten zur Verfügung hat. Da die Daten lückenhaft seien bringe ELGA "keine Verbesserung", sondern werde im Gegenteil die Kommunikation zwischen Ärzten erschweren und damit für die Spitäler einen massiven personellen und administrativen Mehraufwand bedeuten.

Die Teilnahme der Ärzte kann nach Ansicht der Kammer nur freiwillig erfolgen. Bevor ELGA endgültig beschlossen wird, sollten die Erfahrungen des Projekts zur e-Medikation abgewartet werden. Auch der Städtebund erwartet zusätzliche Administration im Spital und damit mehr Personal und damit auch höhere Kosten. Der Städtebund befürchtet durch das Opt-Out-Verfahren ebenfalls eine Verschlechterung der Behandlungsqualität und plädiert auch dafür, mit allen betroffenen Berufsgruppen noch eine grundsätzliche Diskussion zu führen. Im Gegensatz dazu stehen die Patientenanwälte hinter den Plänen Stögers und sehen den wesentlichen Grund im Widerstand der Ärztekammer darin, dass sie einen Machtverlust für die Ärzte und einen Machtgewinn für die Patienten befürchten würden.

Längere Speicherdauer gefordert

Damit stehen die Patientenanwälte aber relativ einsam auf weiter Flur. Vor allem die geplante Speicherdauer von drei Jahren für Gesundheitsdaten und von sechs Monaten für Laborbefunde ist vielen zu gering. So verlangt etwa der Gemeindebund für die zentralen Daten eine Speicherdauer von 30 Jahren. Das Rote Kreuz will, dass lebenswichtige Gesundheitsdaten wie Blutgruppe, Implantate oder Schrittmacher lebenslang bzw. bis auf Widerruf gespeichert werden. Die Wiener Landesregierung fordert, dass die automatische Löschung von Medikationsdaten nicht für chronisch Kranke gelten sollte und der Seniorenrat verlangt, dass diese Personengruppe zumindest länger auf ältere Daten zugreifen können sollte. "Hinterfragen" will auch der Hauptverband die Drei-Jahres-Frist für die Gesundheitsdaten.

Einig sind sich Wirtschaftskammer und ÖGB, dass für die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen eine verpflichtende Teilnahme an ELGA sichergestellt werden sollte. Für die Wirtschaftskammer ist auch bezüglich der finanziellen Auswirkungen vieles offen. Auch das Finanzministerium fordert die Vorlage von finanziellen Planrechnungen für die nächsten Jahre und verlangt von Stöger, Mehrkosten selbst zu bedecken.

Große datenschutzrechtliche Problem orten die Datenschutzorganisationen. Für die ARGE Daten ist das System "weder gesundheitspolitisch, noch datenschutzrechtlich ausreichend durchdacht und gibt Patienten, die daran teilnehmen keine Gewähr vollständig und qualitativ hochwertig über ihre Gesundheitsdaten zu verfügen". Und für die Datenschutzkommission bleibt die Zahl der Personen, die faktisch Zugriff auf ihre Daten haben, "völlig unüberblickbar". Die Kommission schlägt deshalb vor, dass nur die Patienten selbst oder die behandelnden Ärzte über die Daten verfügen könnten. Auch der Pharmig geht die Definition der Gesundheitsdaten zu weit, ihrer Ansicht nach sollten nur jene persönlichen Daten gespeichert werden, die zur Behandlung von Patienten unbeding notwendig sind. Wie zur Bestätigung dieser Bedenken fordert das Wissenschaftsministerium bereits, die Nutzung der Daten für wissenschaftliche Untersuchungen sowie für Lehr- und Forschungsaufgaben ausdrücklich zu ermöglichen.