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Der Penthesilea-Konflikt

Von Edwin Baumgartner

Wissen
Franz von Stuck: "Verwundete Amazone" aus dem Jahr 1903. Foto: wikimedia commons

Jeannine Davis-Kimball glaubt, die reale Existenz der Amazonen beweisen zu können. | Forscher melden Zweifel an der Davis- Kimball-Hypothese an. | Wien. Im Trojanischen Krieg, so berichtet Arktinos von Milet in seinem Epos "Aithiopis", waren sie jene Gegner, vor denen die Griechen wirklich Angst hatten: Die Amazonen. Weibliche Krieger seien es gewesen, und es bedurfte des größten Schwertschwingers aller Zeiten, Achilles, um ihre Königin Penthesilea zu töten. Mitunter wird behauptet, sie hätten sich eine Brust amputiert, um den Köcher mit Pfeilen leichter umhängen zu können. Strabo verortet sie in Nordost-Kleinasien, Herodot bringt sie mit den Sauromaten, den Vorgängern der Sarmaten, in Zusammenhang, die zwischen


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Kaspischem und Schwarzem Meer ansässig waren. Der deutsche Dichter Heinrich von Kleist lässt in seinem Drama "Penthesilea" die Titelfigur in Raserei verfallen und Achill zerfleischen (womit, nebenbei bemerkt, ein guter Teil der "Ilias" nicht mehr stattfinden könnte). Uns Heutigen gelten die Amazonen als Mythos - oder höchstens als Synonym für eine kämpferisch eingestellte Frau.

Doch seit Heinrich Schliemann auf der Basis der "Ilias" Troja entdeckte, weiß man, dass an den alten Mythen mitunter mehr dran ist als nur ein wahrer Kern. So glaubt Jeannine Davis-Kimball, die Amazonen als historische Gestalten nachweisen zu können. Mehr noch: Die Nachkommen der Kriegerinnen sollen, davon ist die kalifornische Archäologin überzeugt, heute noch leben, und zwar in der Mongolei.

Begonnen hat alles, als Jeannine Davis-Kimball in Südrussland und in der Ukraine zahlreiche sogenannte Kurgane (Grabhügel) fanden, in denen skythische oder sarmatische Frauen bestattet waren. Das Überraschende: Die Grabbeigaben waren Waffen und Rüstungen. In weiteren Gräbern fanden sich Skelette von Frauen mit gekrümmten Oberschenkelknochen und gestauchten Steißbeinen - Hinweise, dass diese Frauen viel geritten sind. Daraus schließt Davis-Kimball, dass die Stämme der Sarmaten und Skythen die Vorlage für die Amazonen-Erzählungen der griechischen Antike dienten.

Doch damit gibt sich die Archäologin nicht zufrieden. Sie ist überzeugt, dass heute noch unter den Kasachen der Mongolei Nachfahren der Amazonen leben. Eine DNA-Probe, die Davis-Kimball vom Mädchen Meiramgul nahm, verglich der DNA-Spezialist Joachim Burger mit einer DNA-Probe vom Skelett einer aufwändig bestatteten Kriegerin und kam zum Schluss, dass Meiramgul die Nachfahrin der Sauromatin ist. Als Tüpfelchen auf dem i: Meiramgul ist blond - gerade so, wie die Amazonen der griechischen Mythologie.

Die Verbindung fehlt

Doch andere Archäologen zeigen sich von Davis-Kimballs Untersuchungen unbeeindruckt. Ihr Gegenargument: Davis-Kimball kann nur ein Volk nachweisen, bei dem Frauen eine hohe Stellung einnahmen. Der Nachweis, dass die Frauen Kriegerinnen gewesen seien, ist schon nicht mehr so sicher, denn keines der Frauen-Skelette trägt Spuren einer Verwundung, die von einem Kampf herrührt. Deshalb könnten die scheinbar kriegerischen Grabbeigaben ebenso gut eine rein rituelle Funktion gehabt haben.

Vor allem aber, so die Gegner der Davis-Kimball-Hypothese, konnte die Archäologin die Verbindung zwischen Griechen und Kurgan-Menschen nicht nachweisen. Die Amazonen-Darstellungen auf griechischer Vasenmalerei ähnle zwar den Sauromaten, doch das sei zu erwarten: Die Griechen stellten mythische Völker immer so dar, wie die zeitgenössischen Völker aus der gleichen Gegend. Herodots nicht historisch nachweisbare Verbindung zwischen Sauromaten und Amazonen hat also die Vasenmalerei beeinflusst, die damit als Beweis wegfällt.

Davis-Kimball freilich tut es dem mythischen Kriegerinnen der Antike gleich: Sie kämpft wie eine Amazone. Im konkreten Fall für eine spannende Spekulation, deren Wahrheitsgehalt auf seinen Nachweis vorerst freilich noch wartet.