Sprechen Sie einen durchschnittlich interessierten Österreicher an und fragen Sie ihn, was er sich von der Aufarbeitung der aktuell grassierenden (vermeintlichen oder nicht) Korruptionsaffären und Skandale verspricht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten sie eine Antwort, die primär eines widerspiegelt - Resignation. "Da geschieht gar nichts." Oder, ebenso oft: "Die richten es sich, wie sie es brauchen." Ein Nährboden, auf dem Politikverdrossenheit und Politikerfeindlichkeit leichtes Spiel haben.
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Tatsache ist: Die Unabhängigkeit der Justiz ist durch den Personalmangel in einem Maß gefährdet, das demokratiepolitisch äußerst bedenklich ist. Die Standesvertreter der Richter und Staatsanwälte tun ihr Möglichstes, um auf die drückende Not bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften hinzuweisen. Besonders deutlich zeigen sich die Missstände in Bereichen, wo besonders aufwändige Fälle aufzuarbeiten sind: Wirtschaftskriminalität und Korruption. Zwar wurden die Ressourcen in Einzelfällen wie der Hypo Group Alpe Adria aufgestockt, der Systemmangel ist damit aber nicht behoben. Passiert hier nicht noch mehr, muss sich die Politik den Vorwurf gefallen lassen, kein Interesse an einer schlagkräftigen Justiz zu haben.
Hat diese Überforderung womöglich System? Die Finanz- und Wirtschaftskrise lasse sich mit den bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten gar nicht adäquat aufarbeiten, man sei mit ganz neuen Formen von Korruption, ja von Organisierter Kriminalität konfrontiert - so lautet der Tenor eines Buches des europäischen Korruptionsexperten Wolfgang Hetzer. Als Korruption wird in Österreich aber immer noch der primitivste Fall verfolgt, bestätigen Justizinsider - also etwa das Geldkuvert, das einem Beamten im Gegenzug für eine Leistung zugesteckt wird. Im Wirtschaftsalltag laufen Bestechungsdelikte natürlich über ganz andere Kanäle.
Dieser Befund ist doppelt frustrierend, denn Österreich hinkt schon hinterher, was die Aufarbeitung der Korruption im traditionellen Sinn betrifft. Wie die Stadtzeitung "Falter" aufgezeigt hat, beklagt die Korruptionsstaatsanwaltschaft eine sträflichen Unterbesetzung: "Die personelle Ausstattung ist völlig unzureichend und macht die notwendige Konzentration auf arbeitsaufwändige Verfahren unmöglich." Das schrieb der Chef der Behörde, Walter Geyer, schon im Bericht für das Jahr 2009. Damals zählte die noch junge Korruptionsstaatsanwaltschaft 8 Köpfe. Was hat sich seither getan? Anfang 2011 ist eine Staatsanwältin aus der Karenz zurückgekehrt, das Personal stieg auf 8,5. Die Fallzahlen sind unterdessen explodiert. Erst ab Herbst sollen sukzessive neue Staatsanwälte dazukommen, sodass 2013 ein Personalstand von 40 erreicht wird - dann mit neuen Aufgaben.
An einem ändert auch die Aufstockung nichts mehr: dass das Korruptionsstrafrecht durch die Gesetzesänderung 2009 "deutlich entschärft und verwässert" wurde, so Geyer.
Siehe auch:Pyrrhussieg für Speditionsbranche