Zum Hauptinhalt springen

Der Pferdefuß der EU

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

BSE, Gammelfleisch - und jetzt als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch. Die EU möchte gerne den Bürgern nahe sein - beim Thema Lebensmittelkontrolle und -sicherheit wäre dies leicht möglich. Auch wenn der Konsument billig kauft, so will er doch das bekommen, was auf der Verpackung draufsteht.

Man sollte also meinen, dass die EU-Kommission dieses Thema besonders ernst nimmt. Doch was passiert stattdessen? Tiermehl wird als Futtermittel wieder erlaubt, zuerst in der Fischzucht, danach bei Hühnern und Schweinen. Das vergällt einem nicht nur den Appetit, sondern auch den Glauben an eine verantwortungsvolle EU. Es bleibt die Erkenntnis, dass eine unheilige Allianz aus Agrar- und Lebensmittellobby schalten und walten kann, wie sie will. Schon bei den BSE-Bekämpfungsmaßnahmen schaffte sie es, bis dahin als Müll zu entsorgende Schlachtabfälle zur marktfähigen Ware zu machen. Irre eigentlich.

Nun ist es niemandem aufgefallen, dass rumänisches Pferdefleisch in EU-Rindfleisch umetikettiert wurde. Der Gewinn ist enorm, Rindfleisch ist drei- bis viermal teurer als Pferdefleisch. Während also Händler und Verarbeiter verdienen, entpuppt sich die EU als Saustall.

So gibt es zwar eine zentrale Agentur, diese soll aber weitgehend die nationalen Kontrollbehörden koordinieren. Da es in den 27 EU-Ländern unterschiedliche Standards gibt (und sich die Regierungen weigern, diese Kompetenz an Brüssel abzutreten), entstand ein unglaublicher Wildwuchs. Allein rund ums Thema BSE gibt es mittlerweile 71 europäische Rechtsakte, wie die Organisation Foodwatch aufzählte.

Es ist also zu befürchten, dass sich die Kontrollore längst im Verordnungsdschungel verirrt haben. Und Geschäftemacher unbeirrt ihre Ideen in die Praxis umsetzen können.

Gegen eine europaweit organisierte Lebensmittelindustrie ist ja nichts einzuwenden. Warum soll in der Tiefkühl-Lasagne eines französischen Anbieters kein rumänisches Fleisch sein?

Dazu braucht es aber europaweit einheitliche Kontrollen. Wie schon bei der Einführung des Euro ist auch in der Landwirtschaft ein gemeinsamer Markt geschaffen worden, dem aber keine gemeinsame Überwachung gegenübersteht. Die nationalen Behörden haben nur eines gemeinsam: keinen Durchblick. Der Pferdefleischskandal ist ein Festmahl für EU-Gegner, zubereitet von EU-Befürwortern.