Niederländische Forscher fanden eine Abwehrmöglichkeit gegen die gefährliche Kartoffelfäule.
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Wageningen/Wien. 1845, vor 170 Jahren, setzte in Irland die größte Hungersnot in der Geschichte des Landes ein. Die Kartoffeln, die Nahrungsbasis der Bevölkerung, verfaulten nach Dauerregen auf überfluteten Feldern. Das von den Engländern beherrschte und im Elend nicht unterstützte, sondern ausgebeutete Volk litt bittere Not, die sich nach einem ähnlich verregneten Sommer 1846 noch dramatisch verschäfte: Die irische Bevölkerung, neun Millionen Menschen, verlor ein Drittel, denn eine Million starb und zwei Millionen wanderten aus, die meisten davon in die USA.
Die Ursache der Katastrophe, zu der natürlich auch die nasse Witterung beigetragen hatte, hatte einen Namen: Phytophthora infestans. Dabei handelt es sich um einen Eipilz, ein Pathogen, das vor allem Nachtschattengewächse, aber auch einzelne Pflanzen aus den Familien der Korbblütler, Winden- und Wunderblumengewächse befällt. Dazu gehören auch ökonomisch wichtige Pflanzen, vor allem Kartoffeln, Tomaten und Petunien. Bei ihnen verursacht der Parasit eine Krankheit, die bei der Tomate Kraut- und Braunfäule, bei der Kartoffel Kraut- und Knollenfäule genannt wird. Vor allem im Sommer, aber auch schon im Frühling, lassen nasse Wetterverhältnisse das Pathogen prächtig gedeihen. Die Folge sind gravierende Ernteausfälle, mitunter sogar ein Totalausfall in den betroffenen Gebieten.
Neue Varianten aus Amerika
Dieser Pilz war bereits um das Jahr 1840 in einer Variante, die wissenschaftlich als Herb-1 bezeichnet wird, in Nordamerika aufgetreten und bald darauf nach Europa eingeschleppt worden. Den größten Schaden richtete er in Irland an, aber auch in weiteren europäischen Regionen gab es Missernten. Während sich diese Variante aber kaum weiterentwickelte und nach der Einführung resistenter Kartoffelsorten verschwand, breitete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neuer Erregerstamm namens US-1 aus. Und in den 1980er Jahren kam eine neue Variante von Phytophthora infestans nach Europa, die sich von der vorherigen dadurch unterscheidet, dass sie zu sexueller Vermehrung fähig ist und eine höhere Aggressivität aufweist.
Kürzlich aber haben nun Forschende der Wageningen Universität in den Niederlanden und des Sainsbury Laboratory in Norwich in Großbritannien in der Zeitschrift "Nature Plants" über einen wichtigen wissenschaftlichen Fortschritt zu Phytophthora infestans berichtet. Vivianne Vleeshouwers, die seit Jahren auf diesem Gebiet forscht, ist führend in jenem internationalen Team tätig, das den Durchbruch geschafft hat. Sie sagt: "Wir konnten ein Gen identifizieren, das für eine total neue Verteidigungsstrategie in wilden Verwandten der Kartoffel verantwortlich ist."
Die Forscher durchsuchten das Keimplasma wilder Formen der Solanum-Familie (zu der die Kartoffel gehört) nach Genen, die auf Elicitine reagieren, sogenannte "konservierte" Proteine des Fäulepathogens. Vleeshouwers erklärt das so: "Diese Proteine veränderten sich kaum im Lauf der Zeit und während der Diversifizierung der Arten, denn ihre Rolle ist essenziell und ihre Zusammensetzung wurde während der früheren Evolution optimiert. Eine durch Aktion gegen diesen Typ von Pathogen-Protein gesteigerte Resistenz würde es weniger wahrscheinlich machen, dass das Pathogen eine Überwindung der Resistenz entfalten kann."
Machtvoller Mechanismus
Nach zehn Jahren Forschung fanden die Wissenschafter ein solches Gen, ELR (Elicitin Resistance), das ein Rezeptor-artiges Protein in der Kartoffelart Solanum microdontum verschlüsselt. Pflanzen enthalten viele dieser Zelloberflächenrezeptoren, welche die erste Linie der Immunabwehr bilden - wie eine Reihe von Radarantennen, jede abgestimmt auf eine unterschiedliche, aber evolutionär konservierte Eigenschaft des eindringenden Pathogens. Die gleichzeitige Gegenwart von ELR und Elicitin löst an der Stelle der Infektion den Zelltod aus, ein machtvoller Pflanzenabwehrmechanismus, der den Vorstoß des Pathogens begrenzt.
Ein Transfer des ELR-Gens in eine kultivierte Kartoffel macht sie resistenter gegenüber mehreren Fäulestämmen. Damit seien neue Strategien eröffnet, um eine breite und dauerhafte Resistenz in Kartoffelarten zu züchten, die Lebensmittelsicherheit zu verbessern und den Gebrauch von Fungiziden zu verringern.