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Der Plastikbecher, ein Symbol für Ignoranz

Von Matthias Winterer

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Warum Prozellan, wenn man auch Plastik nehmen kann?
© Ortner

Unser tägliches Verhalten zerstört den Planeten. Wir ändern es trotzdem nicht. Warum? Weil es uns egal ist.


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In der Redaktion der "Wiener Zeitung" gibt es einen Kaffeeautomaten. Müde Journalistenköpfe dopen sich dort kurz vor Redaktionsschluss. Sie schieben Münzen in den Kleingeldschlitz, drücken apathisch auf einen der vielen Knöpfe, schauen der Brühe zu, wie sie in den Plastikbecher rinnt. Kaffee ist ihr Lebenselixier. All die politischen Essays, die Theater- und Filmkritiken, die Artikel über Trump, Putin, Merkel, die Sportberichte, die Geschichten über den Klimawandel wollen schließlich munter verfasst werde. Wenig später sitzen die Redakteure wieder an ihren Schreibtischen, hämmern gestärkt die letzten Zeilen in die Tastatur. Den Plastikbecher stets in Griffweite.

Meist sind Journalisten reflektierte Menschen. Uns ist bewusst, dass der Plastikbecher auf der Schreibtischplatte in direktem Zusammenhang mit der Gletscherschmelze steht, über deren besorgniserregende Geschwindigkeit wir gerade berichten. Trotzdem scheint sich dieses Bewusstsein nicht in unseren Handlungen widerzuspiegeln. Dabei wäre es wirklich nicht sonderlich schwierig, auf den Plastikbecher zu verzichten. In der Redaktion der "Wiener Zeitung" befindet sich nämlich auch eine Küche – ungefähr zwei Meter neben dem Kaffeeautomaten. In dieser Küche harrt ein ganzes Arsenal von Porzellanhäferln darauf, benutzt zu werden. Sie schreien förmlich danach, mit Automatenkaffee befüllt zu werden. Die meisten von ihnen fristen ein sinnentleertes Leben als Staubfänger.

Wieso ist das so? Wieso ändern wir unser Verhalten selbst dann nicht, wenn keinerlei Mehraufwand, keinerlei Einschränkungen zu befürchten sind, die Auswirkungen unseres Handelns jedoch bedrohlich real den Planeten zerstören? Phänomene wie Korallensterben, Dürren, der Anstieg des Meeresspiegels, riesige Plastikinseln im Pazifik sind uns in Wahrheit relativ egal. Die einzige plausible Antwort scheint tatsächlich Ignoranz zu sein. Oder hat es die Werbung geschafft, uns einzuhämmern, dass es völlig normal sei, qualitativ minderes Wasser abgepackt zu kaufen, obwohl höherwertiges gratis aus dem Wasserhahn strömt? Sollte dem so sein, ist der Werbung zu diesem Geniestreich zu gratulieren. Gleichzeitig sollten man über ein allgemeines Werbeverbot nachdenken. Schließlich würde sie dann hochgradig manipulativ wirken und uns zu zerstörerischen Zombies mutieren lassen.

Der Vorschlag, Werbung zu verbieten, würde eine Partei unweigerlich ins Abseits katapultieren. Sie hätte sofort den Stempel einer weltfremden, radikal linken, extremistischen Gruppierung. Sinnlos Plastik zu konsumieren, während Müllberge Schatten auf die Arktis werfen, ist hingegen völlig normal.