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Der Pleitenrekord steht noch bevor

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Experten erwarten Insolvenzwelle im ersten Halbjahr 2010. | Gesetzesreform angeblich ab März. | Wien. Gläubigerschützer Hans-Georg Kantner ist positiv überrascht: Eigentlich hätte die Zahl der Firmenpleiten wegen der Krise heuer um 12 bis 15 Prozent steigen sollen, so der Insolvenz-Experte des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV). Jüngsten Hochrechnungen zufolge dürften es nun lediglich 9,2 Prozent werden - ein Anstieg auf 6893 Fälle.


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Damit steht Österreich laut Kantner deutlich besser da als die meisten anderen Industrieländer. Im europäischen Schnitt mache der Anstieg immerhin rund 35 Prozent aus. Grund für die bessere Entwicklung in Österreich seien unter anderem Investitionen in Hausrenovierungen und der Privatkonsum. Allerdings steht das dicke Ende noch bevor: Für 2010 erwarten Experten einen weiteren Anstieg um zehn Prozent. Damit würde der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2005 von etwas mehr als 7000 Unternehmenspleiten wohl deutlich übertroffen. Gerhard Weinhofer von Creditreform Österreich rechnet vor allem für das erste Halbjahr 2010 mit einem starken Ansteigen der Insolvenzzahlen. In diesem Zeitraum würden die meisten Firmen Bilanz über das erste echte Krisenjahr legen. Spätestens dann dürften bei vielen Banken die Alarmglocken läuten.

"Banken schauen sich ihre Kreditnehmer genauer an", so Weinhofer. Bei Problemfällen wird früher die Notbremse gezogen als in vergangenen Jahren. Dies zeigt sich auch daran, dass die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren (laut KSV 3742) mit 14,4 Prozent deutlich stärker gestiegen ist als jene der mangels Masse abgewiesenen Konkurse (3151).

Kompromiss für Kassen

Die Unternehmen werden also in die Insolvenz geschickt, solange noch Vermögenswerte vorhanden sind und eine Chance auf - zumindest teilweise - Sanierung besteht, erklärt der KSV. Allerdings ist das, was Gläubiger von ihrem Geld wiedersehen, nach wie vor sehr gering: Diese Quote liegt bei eröffneten Insolvenzen im Schnitt zwischen acht und zehn Prozent, erklärt Weinhofer.

Dies ist ein Punkt, den Justizministerin Claudia Bandion-Ortner mit einer Reform des Insolvenzrechts verbessern möchte. Allerdings konnte sie im Herbst keine Einigung mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer erzielen, weshalb das neue Gesetz nicht - wie geplant - per Jahresbeginn 2010 in Kraft treten kann.

Mittlerweile ist in Expertenkreisen von einer Umsetzung ab März kommenden Jahres die Rede. Im Sozialministerium will man sich jedoch nicht drängen lasse: Banken würden als Gläubiger - laut Entwurf - künftig bessergestellt, Krankenkassen schlechter, so ein Minister-Sprecher zur "Wiener Zeitung". Dies müsse im Rahmen weiterer Gespräche "austariert" werden. Einen fixen Zeitplan gebe es nicht.

Insider sprechen von einer möglichen Lösung, die vorsehen könnte, dass Großgläubiger weniger stark als geplant in ihren Mitspracherechten im Konkursverfahren beschnitten würden. In diese Gruppe fallen üblicherweise auch die Krankenkassen.

Deutlich geringer als bei den Firmeninsolvenzen dürfte heuer der Anstieg der Privatkonkurse ausfallen. Der KSV rechnet hier lediglich mit einem Plus von sieben Prozent auf 9076 Fälle. Dies habe allerdings auch mit der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt zu tun, heißt es. Schließlich wird ein Privatkonkurs nur eröffnet, wenn der Schuldner regelmäßige Zahlungen an die Gläubiger leisten kann. Viele sind dazu in Zeiten der Krise nicht in der Lage.