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Der plötzliche Übereifer der Rating-Agenturen: Die Krisen-Mitverursacher gießen Öl ins Feuer

Von Herbert Hutar

Analysen

Es war ein Bericht der Ratingagentur Moody´s, der den jüngsten Absturz österreichischer Bankaktien verursacht hat. Moody´s hat - ohne neue Fakten - wieder einmal auf die sinkenden Wechselkurse der Währungen in Osteuropa hingewiesen - und schon ging´s bergab. | Rating-Agenturen sollen Investoren über die Bonität einer Geldanlage, eines Unternehmens oder eines Landes informieren. Das machen sie, indem sie Zensuren verteilen: "AAA" ist die beste Note, "D" die schlechteste. Sie verwenden dazu die Geschäftsberichte der Unternehmen, beurteilen das Umfeld und führen Gespräche mit dem Management der Unternehmen.


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Weltweit tätig sind drei große Agenturen: die britisch-amerikanische Agentur Fitch mit einer Muttergesellschaft in Paris sowie die US-Agenturen Moody´s und Standard & Poor´s (S&P). S&P ist die größte und veröffentlicht auch Börsenindizes. Alle drei zusammen beschäftigen weltweit mehr als 15.000 Menschen, sind in mehr als 50 Ländern präsent und machen mehr als 5,6 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) Umsatz in Jahr.

Wirft man im Internet einen Blick auf die Geschäfts-prinzipien, so möchte man vor Ehrfurcht erstarren: So viel an Unbestechlichkeit, Sorgfalt und Lauterkeit ist fast zu schön, um wahr zu sein. Nichtsdestoweniger sind sie auf peinliche Weise ins Gerede gekommen.

"Zu Beginn der Finanzkrise haben sie völlig versagt", erinnert Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien. "Selbst als die Banken einander im Juli 2007 schon deutliche Risikoaufschläge verrechnet haben, haben die Agenturen noch immer Bestnoten für Wertpapiere mit faulen Kreditforderungen ausgestellt. Erst sechs Wochen später, als diese vergifteten Kredite immer noch weltweit verkauft wurden, wurden sie zurückgestuft".

Die Interessenskonflikte liegen auf der Hand: Die Ratingagenturen beurteilen die Produkte jener Banken, die ihnen auf der anderen Seite Gebühren zahlen für Auskünfte über Dritte. US-Präsident Barack Obama will sie jetzt an die kurze Leine nehmen, die neue Präsidentin der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, Mary L. Shapiro, hat sie schon ins Visier genommen.

"Jetzt sind sie übereifrig und übertreiben, sie wollen nicht wieder nachlässig erscheinen", sagt Felderer. "Jetzt wollen sie den Imageschaden wieder ausbügeln." Und so kommen die osteuropäischen Länder - und mit ihnen Österreichs Banken - zum Handkuss. Kleine Länder, von denen die Ratingagenturen nichts zu befürchten haben.

Zuerst haben sie die Wachstumsraten in Osteuropa madig gemacht: Wachstum auf Pump, eine verdächtige Sache, so das Urteil. Viele Investoren haben Geld abgezogen und so die Währungen dieser Länder in Bedrängnis gebracht, zusätzlich zum Sinken der Exporte infolge der Krise auf den Weltmärkten. Das Absacken der Exporte bringt die jungen und verwundbaren Volkswirtschaften ohnehin in große Schwierigkeiten, die nicht zu unterschätzen sind. Die Rating-Experten aus Großbritannien und den USA aber haben Öl ins Feuer gegossen.

"Eine enorme und unkontrollierte Macht" sind die Rating-Agenturen laut Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny. Viele wünschen sich eine verlässliche europäische Rating-Agentur. Aber die ist nicht in Sicht.