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Der poetische Volksbildner

Von David Axmann

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An jener Stelle im Sonntagvormittagsprogramm des Radiosenders Ö1, die während der Kabarettsaison für Lore Krainer und ihr "Gugelhupf"-Team reserviert ist, tritt in den Sommermonaten der Alleinunterhalter Michael Köhlmeier auf. Er tut dies freilich nicht in seiner ursprünglichen Eigenschaft als Erzähler, sondern in seiner Funktion als spätberufener Nacherzähler. Darin scheint der Autor seine Lebensrolle gefunden zu haben; Köhlmeiers kommentierte Ausgabe der "Klassischen Sagen des Altertums" umfasst 15 CDs, seine populärexegetische Fassung der "Biblischen Geschichten" neun CDs.

Ein pädagogischer Instinkt für die Witterung des Publikumswunsches, wichtige Werke der Weltliteratur in bekömmlicher Form erklärt zu bekommen, und das natürliche Talent, fremde literarische Stoffe in eigenen Worten emphatisch wiederzugeben, prädestinieren Michael Köhlmeier zu dem poetischen Volksbildner, als der er ja weithin geschätzt und begehrt ist. Im heurigen Sommer nun erzählt er den Radiohörern Shakes-

peare, und zwar so, wie er sich den großen Bühnenautor vorstellt: "Ich würde sagen", sagt Köhlmeier tatsächlich, "dass Shakespeare jemand ist, der menschliches Verhalten unfassbar genau beobachtet, dem alles über die Augen läuft." Von dieser Vorstellung ausgehend, will unser Nacherzähler anhand exemplarischer Theaterstücke (von "König Lear" über "Julius Cäsar" bis "Hamlet") begreiflich machen, welch "tiefen Stollen in die Seele des Menschen" der Meisterdramatiker gräbt und diesen "tief ausleuchtet".

Mag sein, dass da dem einen oder anderen Radiohörer endlich ein Licht aufgeht. Das Geschäft jedenfalls geht weiter und geht gut, "Köhlmeier erzählt Shakespeare" wird gewiss bald schon auf CDs vorliegen - "Ein Sommernachtstraum", gelesen von Köhlmeier, ist bereits im ORF-Shop um 18 Euro erhältlich.