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Der politische Weinskandal

Von Reinhard Göweil

Politik

VfGH hebt Bundespräsidenten-Stichwahl auf - Regierung betont funktionierenden Rechtsstaat.


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Wien. "Es war ein einzigartiges Verfahren." Ein wahres Wort, gelassen ausgesprochen vom Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger. Er hatte wenige Minuten zuvor die Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22. Mai bundesweit aufgehoben, ein Novum in der österreichischen Demokratie. Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer müssen sich nun Ende September oder Anfang Oktober erneut zur Wahl stellen.

"Der Eindruck, der durch die Wahlaufhebung im Ausland entstehen wird, ist katastrophal, das ist evident. Auch, weil es ohnehin ein Stereotyp in internationalen Medien gibt, was Österreich betrifft", meint der Politologe Fritz Plasser. "Austriakisches Schlamassel", nennt es nun die "Süddeutsche Zeitung". Den Ausschlag gab die Anfechtung der Wahl durch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. (siehe Artikel unten). VfGH-Präsident Holzinger betonte zwar, dass es keinerlei Hinweise auf Wahlmanipulation gab. 77.923 Wahlkarten der untersuchten Wahlbezirke wurden aber gesetzeswidrig ausgezählt. Da der Unterschied zwischen Van der Bellen und Hofer aber weniger als 31.000 Stimmen ausmachte, waren die Verstöße signifikant.

"Fundament der Demokratie"

"Es geht hier um das Fundament der Demokratie", so Holzinger in Hinblick auf die Wahlen insgesamt. Die offizielle Politik betonte anschließend die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaates. Der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Innenminister Wolfgang Sobotka bedankten sich ausdrücklich beim Verfassungsgerichtshof. Auch FPÖ-Chef Strache sprach von einem "Gewinn des Rechtsstaates".

Fischer verglich die Aufhebung der Stichwahl mit dem Weinskandal 1985. Nach den Panschereien sei die Qualität des heimischen Weins auf Spitzenniveau angehoben worden. Das soll nun auch bei der Umsetzung des Wahlrechts passieren, das von etlichen Wahlbehörden eher augenzwinkernd befolgt worden war. Das Höchstgericht stellte dazu extra klar, dass die Fehler den Wahlbeisitzern nicht zur Last zu legen sind. Die Verantwortung für verfrühte Auszählung oder unzureichende Sicherstellung des Wahlgeheimnisses liege bei den jeweiligen Wahlbehörden. Deren Leiter sind in der Regel entweder Bürgermeister oder Bezirkshauptleute. Für die zweite Stichwahl, die wohl entweder am 25. September oder am 9. Oktober stattfindet, geben sich sowohl Alexander Van der Bellen als auch Norbert Hofer siegessicher.

Bundeskanzler Kern mahnte, dass der jetzige VfGH-Spruch nun nicht zu Emotionen führen solle. Auch der Generalsekretär der FPÖ, Helmut Kickl, meinte, dass "niemand triumphiert". Ausländische Medien allerdings befürchten schon, dass der neuerliche Wahlkampf besonders schmutzig werden könnte. Mit Norbert Hofer wäre ein Rechtspopulist Staatsoberhaupt eines EU-Landes, es drohe ein noch ausgeprägterer Lager-Wahlkampf als in den den vier Wochen vor dem 22. Mai.

Bleibt Hofer im NR-Präsidium?

Hintergrund: Artikel 141 Verfassungsgesetz (PDF)

Hofer steht nun in politischer Kritik, weil er ja auch Dritter Nationalratspräsident ist. Am 8. Juli endet die Amtszeit von Heinz Fischer. Bis zur Angelobung des neuen Bundespräsidenten Mitte Oktober wird das Nationalratspräsidium dieses Amt innehaben. Hofer will das auch wahrnehmen. Doch da er gleichzeitig für dieses Amt wahlkämpft, steigt die Kritik.

Am Tag des Spruches des Verfassungsgerichtes übten sich (noch?) alle Beteiligten in Zurückhaltung. "Große Anerkennung" zollte Strache den Verfassungsrichtern. Innenminister Sobotka kündigte an, bei der Stichwahl Beobachter der in Wien ansässigen OSZE anzufordern.

Ebenfalls verboten wurde vom Verfassungsgerichtshof die Weitergabe von Teilergebnissen vor Wahlschluss an Meinungsforscher und Medien. Ob dies künftig Hochrechnungen verzögern wird, ist noch nicht ganz klar.

Auf betroffene Leiter von Wahlbehörden könnten dienstrechtliche Sanktionen folgen. Die Wahlordnung - inklusive Briefwahl - wurde vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Allerdings sind Wahlbezirke auf die hohe Zahl von Wahlkarten nicht vorbereitet. Das führte zu Problemen bei der Verwahrung von Wahlkarten, die erst am Montag danach ab 9 Uhr ausgezählt werden dürfen.

Bundespräsidentenwahlgesetz (PDF)