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Der aus Sardinien stammende Cossiga polarisierte wie kein anderer Politiker. | Jüngster Minister, jüngster Senatschef, jüngster Präsident. | Wien/Rom. Italiens Karikaturisten zeichneten ihn schon in seinen letzten Jahren im Präsidentenamt als Bergsteiger mit der Spitzhacke (Picconatore), der den Niederungen der italienischen Politik entstiegen war und auf alles hinhaute, was ihm nicht gelegen kam. Am Dienstag ist der am 26. Juli 1928 in der sardinischen Hauptstadt Sassari geborene Francesco Cossiga in der römischen Gemelli-Klinik, in die er am 9. August mit schweren Atembeschwerden eingeliefert worden war, verstorben.
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Mit 17 war Cossiga, der ein Cousin des späteren KPI-Chefs Enrico Berlinguer war, der Democrazia Cristiana beigetreten. 1958 wurde er erstmals ins Abgeordnetenhaus gewählt, 1966 wurde er in der dritten Regierung Moro der jüngste Staatssekretär im Verteidigungsministerium, zehn Jahre später wieder unter Aldo Moro der jüngste Innenminister. Von diesem Amt trat er nach der Ermordung Moros durch die Roten Brigaden im Mai 1978 zurück. Am 4. August 1979 wurde er Regierungschef, musste aber auch von diesem Amt bereits am 18. Oktober 1980 zurücktreten, nachdem ihm vorgeworfen worden war, seinem Parteifreund Carlo Donat Cattin von der bevorstehenden Verhaftung seines bei der linksextremen Organisation Prima Linea tätigen Sohnes Marco erzählt zu haben.
Erst im Juli 1983 wurde er mit seiner Wahl zum - wieder jüngsten - Präsidenten des Senats politisch rehabilitiert. Am 3. Juli 1985 wurde er als erster italienischer Staatspräsident mit einer überwältigenden Mehrheit von 752 der 977 Wahlmänner - darunter auch die Stimmen der KPI - zum Nachfolger des beliebten Präsidenten Sandro Pertini gewählt.
Picconatore
In den ersten Jahren übte er sein Amt als Staatsnotar aus. Nach der Wende 1989, als die unter dem Namen "Gladio" (Schwert) bekanntgewordene Nachkriegsorganisation ans Licht der Öffentlichkeit kam, die das Vordringen der kommunistischen Partei bremsen sollte, wurde Cossiga zum "Picconatore", der mit aufsehenerregenden Erklärungen Freund und Feind gegen sich aufbrachte. 1991 strebte die KPI ein Impeachment-Verfahren gegen ihn an. In seiner letzten Neujahrsansprache sagte er nur, dass er ohnehin nichts sagen dürfe und verschwand nach wenigen Augenblicken wieder vom Bildschirm. Zwei Monate vor Auslaufen seines Mandats erklärte er dann im April 1992 seinen Rücktritt. Als Senator auf Lebenszeit, Begründer und Mitbegründer einiger christdemokratischer Splittergruppen brachte sich Cossiga, der auch ausgezeichnet Deutsch sprach, immer wieder in Erinnerung, unter anderem zum Südtirolthema und zur Baskenfrage. Er stimmte sowohl für die Regierung des Ex-Kommunisten Massimo DAlema als auch abwechselnd für Romano Prodi und Silvio Berlusconi.