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Der Präsident soll schlanker werden

Von Jan Michael Marchart

Politik

Bundespräsident soll "tote Rechte" verlieren. SPÖ und ÖVP einigen sich auf ein Wahlprozedere.


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Wien. Wäre Norbert Hofer Bundespräsident geworden, vielleicht hätte es wirklich Anlass "zum Wundern" gegeben, wie der Freiheitliche in einer Fernsehdiskussion einmal pikant formulierte. Hofer vermittelte ein Amtsverständnis, das sich fundamental von seinen Vorgängern unterscheiden sollte. Er wollte gegenüber der Regierung Autorität beweisen, zeigen, wer mächtiger ist. Auch der designierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat angedeutet, von seinen verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch zu machen und nicht im Schatten der Regierung zu wandeln.

Die Auflösung des Nationalrats etwa war eine Notbremse für das Staatsoberhaupt in einem Zug, die nicht zum Ziehen gedacht war. Dafür gab es seit der Nachkriegszeit ein politisches Bekenntnis. Hofer hätte sie wohl gezogen. Van der Bellens Verweis auf den Gebrauch der Verfassung schließt das mit ein. Das Bekenntnis wackelt. Auch, weil SPÖ und ÖVP schwächer werden.

Zu Anachronismus verkommen

Der monatelange Wahlkampf hat Spuren hinterlassen. Sie hat die teils antiquierten Kompetenzen des Staatsoberhaupts zur Disposition gestellt. Die Koalitions-Klubobleute Andreas Schieder und Reinhold Lopatka wollen einige davon streichen. Darunter die zuvor skizzierte Auflösung des Nationalrats durch den Bundespräsidenten. Wohl auch, um sich das Leben ein bisschen leichter zu machen. Böse Zungen würden behaupten: Die Verlierer der Wahl zeigen nun dem Gewinner, wer die Macht hat.

SPÖ und ÖVP geht es dabei auch zudem um Strafrechts-Kompetenzen (Begnadigung oder Niederschlagung), die Ehelicherklärung und die Ernennung von Bundesbeamten. Präzisieren möchte die Regierung hingegen die Befugnisse des Präsidenten als Oberbefehlshaber, bei der Beurteilung von Bundesgesetzen und bei der Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfGH).

Der Verfassungsjurist Bern-Christian Funk hält es "für sinnvoll", einige dieser Punkte zu streichen, weil sie zu einem "Anachronismus" verkommen sind. Das Recht des Bundespräsidenten, den Nationalrat auf Antrag der Regierung aufzulösen, hätte beispielsweise keine Anwendung gefunden. Es sei "totes Recht". Die Sorge, dass es missbraucht werden könnte, in Form eines Wechselspiels durch Regierung und Bundespräsidenten, "ist nicht ganz von der Hand zu weisen", sagt Funk. "Ich halte das aber nicht für besonders dringlich." Künftig soll der Nationalrat nur durch Beschluss der Abgeordneten die Regierungsperiode vorzeitig beenden können. Das Gleiche soll für Landtage gelten.

Gesamtbetrachtung fehlt

Der Rechtsanwalt Alfred J. Noll sieht das Pferd von hinten aufgezäumt. Die Balance zwischen Präsident, Regierung und Parlament müsste aufeinander abgestimmt sein. Man könne nicht gesondert an einer Schraube drehen. Zuerst muss man sich entscheiden, wer den Kanzler ernennt und die Regierung entlassen kann. Erst dann stelle sich die Frage, wer den Nationalrat auf Anleitung der Regierung auflösen können soll. "Wenn das System nicht gesamt betrachtet, bin ich skeptisch, dass das am Ende zusammenpasst", sagt Noll. "Unter Van der Bellen wird nichts passieren. Man hätte Zeit, das Thema ordentlich anzugehen."

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ernennung von Bundesbeamten, die SPÖ und ÖVP auf der Präsidenten-Agenda zumindest präzisieren wollen. Da es immer mehr Vertragsbedienstete im Öffentlichen Dienst gebe, hätte der Präsident ohnehin den Zugriff verloren, waren sich Schieder und Lopatka einig. "Die Befugnis ist nur noch symbolischer Natur und wurde ohnehin von der Regierung delegiert", sagt Funk. Er plädiert aber nicht dafür, die Vertragsbediensteten stattdessen ins Gesetz zu schreiben. "Van der Bellen wäre dann höchster Personalchef, das hätte keinen Sinn", so Funk. Der Gedanke stamme aus Monarchiezeiten. Das sei nicht zeitgemäß.

Für Rechtsanwalt Noll geht eine Kontrollfunktion verloren. Universitätsprofessoren etwa, die politisch unliebsam waren, hätte der etwas neutralere Bundespräsident trotzdem durchgebracht. "Die Rückverlagerung zu den Ministerien ist eine Repolitisierung", sagt Noll. Aus seiner Sicht wäre es "im Sinne der Erfinder" gewesen, die Vertragsbediensteten in die Verfassung zu nehmen, anstatt dem Präsidenten die Befugnis zu streichen.

Die Opposition rebelliert

Die Regierungsparteien einigten sich zudem auf eine kleine Wahlrechtsreform. Die Briefwahl etwa wird unverändert beibehalten, aber es auch für Bundeswahlen ein vorgezogener Wahltag eingeführt. Am zehnten Tag vor der Wahl soll in jeder Gemeinde ein Wahllokal zumindest zwei Stunden am Nachmittag oder Abend offen haben. Erleichtert werden soll auch die Stimmabgabe für Behinderte - mit einer barrierefreien Wahlzelle pro Wahllokal, für Sehbehinderte geeigneten Stimmzetteln oder barrierefreien Ministeriums-Infos im Internet.

Für das umstrittene Mehrheitswahlrecht und E-Voting gebe es im Moment keine Mehrheit im Parlament, so Lopatka. Beides soll in einer parlamentarischen Enquete besprochen werden.

Beschlossen werden sollen die Pakete spätestens im Herbst. Für die Aufräumarbeiten in der Hofburg ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Regierung braucht also entweder FPÖ oder Grüne. Diese waren wenig begeistert von den Regierungsplänen. Die FPÖ lehnte die Beschneidung der Befugnisse des Präsidenten ab. Die Grünen zeigten sich verhandlungsbereit. Sie sehen in der "losen Aufzählung" die Möglichkeit, "endlich Verhandlungen zu starten".