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Ein Nachtrag zum überraschenden Zwischenruf des Bundespräsidenten im laufenden Wahlkampf: Das Duell zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer war 2016 geprägt vom Grundsatzkonflikt zweier Ideen von Österreich. Beide standen und stehen für entgegengesetzte Lebensgefühle in einer tiefenverunsicherten Gegenwart. Hofer verlor, weil er auf Sieg spielte. Van der Bellen gewann, weil er den Bürgern einen Waffenstillstand anbot.
Das war attraktiv, weil die internationale Lage (Brexit, Donald Trump, Marine Le Pen) so viele Bürger verunsicherte; und es gelang, weil Van der Bellen bei neuralgisch umkämpften Themen wie Heimat und Flüchtlingen einen Schritt auf die Gegenseite zu machte. Und weil er sich spät, aber eben doch, ausdrücklich zu den Traditionen der Zweiten Republik bekannte. Hofer dagegen liebäugelte fast bis zum Schluss mit der Idee der Revolution: ein starker Bundespräsident als Gegengewicht zu Regierung und Parlament.
Die Wahl 2016 war eine Niederlage für Hofer. Das Ergebnis drückte die Sehnsucht einer Mehrheit nach Deeskalation im neuen Bürgerkrieg aus. Die Hofburg war dem Ex-Grünen, wie einst Frankreichs König Henri IV., eine Messe wert. Und im Unterschied zu Henri musste Van der Bellen nicht einmal seinen Glauben wechseln; ihm genügte es, seine Heimatverbundenheit gekonnt zu inszenieren und den Menschen zu sagen, dass er ihre Sorgen und Ängste rund um das Thema Migration sehr wohl verstehe.
Und 2017? Im Nationalratswahlkampf sind die Lager der beiden Duellgegner bisher nur Nebendarsteller: Die FPÖ spielt im Wettlauf um den Kanzler keine Rolle mehr, und die Grünen müssen aufgrund interner Streitereien sogar um ihr parlamentarisches Überleben bangen. Stattdessen haben die seit gefühlt zwanzig Jahren totgesagten "Altparteien" mit einigen Tricks und Schönheitskuren wieder das Heft in die Hand genommen.
Für diese Entwicklung gibt es zweifellos ein Bündel an Ursachen. Eine der wichtigeren ist aber mit ziemlicher Sicherheit der Wunsch einer deutlichen Mehrheit der Österreicher, den neuen Lagerkampf nicht noch weiter anzufeuern. Christian Kern wie Sebastian Kurz stehen für ein Angebot auf Waffenstillstand.
Ob die beiden das Angebot auch nach dem 15. Oktober aufrechterhalten (können), wird sich dann zeigen. Möglich ist es, sicher nicht.