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Der Preis der Steuerreform

Von Marina Delcheva

Politik

Experten fordern strenge Kontrollen bei Konteneinsicht, um Bürgerrechte nicht auszuhöhlen.


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Wien. Wie gläsern Österreichs Bankkunden tatsächlich werden, wird gerade verhandelt. Bis zum 5. Juni läuft die Begutachtungsfrist für jenen Teil der Steuerreform, der die De-facto-Aufhebung des Bankgeheimnisses beinhaltet. Der Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium enthält zwei wesentliche Neuerungen. Zum einen wird ab 2016 ein zentrales Kontenregister eingerichtet. Dort gelistet sind alle 23 Millionen heimische Bankkonten - also Girokonten, Sparbücher, Schließfächer. Außerdem wird das Bankwesengesetz dahingehend reformiert, als Finanzbehörden künftig mit einem begründeten Verdacht auf Konten zugreifen können. Früher war ein richterlicher Beschluss dafür notwendig.

Bedenken wegen Schutz sensibler Daten

Der neue Gesetzesentwurf, der dem Nationalrat rund um den 7. Juli zur Abstimmung vorgelegt wird, sorgt derzeit reichlich für Kritik. Die Oppositionsparteien FPÖ, Team Stronach und Neos werfen der Regierung vor, den Datenschutz auszuhöhlen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Erste-Bank-Chef Thomas Uher stößt sich daran, dass Eingriffe künftig ohne richterlichen Beschluss möglich werden. Datenschützer kritisieren, dass das neue Gesetz zu vage formuliert ist und viel Interpretationsspielraum lässt. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) muss sich sogar aus den eigenen Parteireihen Kritik gefallen lassen.

Was bedeutet das neue Bankwesengesetz nun für Bankkunden und kann unser Recht auf Privatsphäre trotz umfassender Transparenz gewahrt werden? Artikel 7 der Europäischen Grundrechtecharta besagt: "Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten." Gleiches ist auch in Artikel 1 des österreichischen Datenschutzgesetzes geregelt. Mit dem neuen Bankgeheimnis werden diese Grundrechte nun strapaziert.

Bei den neuen Regelungen muss man, was den Datenschutz angeht, klar zwischen dem Kontenregister und der Konteneinsicht unterscheiden. "Das Register ist ein eher geringer Eingriff in den Datenschutz", sagt Andreas Krisch, Datenschutzexperte und Mitglied des Datenschutzrates, zur "Wiener Zeitung". Die Informationen, die dort gespeichert sind - nämlich wer hat wie viele Konten bei welchen Banken und wer darf aller darauf zugreifen -, seien aus datenrechtlicher Sicht unbedenklich.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft fordert seit Jahren ein solches Register. Paradoxerweise könnte dieses laut Krisch sogar den Datenschutz für Bankkunden in der Bank selbst erhöhen. Derzeit müssen die Behörden solche Informationen direkt bei der Bank erfragen. Künftig erfährt das Geldinstitut nicht unbedingt von der Einsicht und der Kunde nimmt, wenn der Verdacht unbegründet war, keinen Imageverlust gegenüber seiner Bank in Kauf.

Schwieriger gestaltet sich der zweite Punkt im Gesetzesentwurf; der Zugriff auf das Konto selbst, also Transaktionen, Kontostand. "Ich halte den Eingriff für sehr groß. Das bargeldlose Zahlen wird immer populärer. Das Konto bildet immer mehr unser Leben ab", sagt Krisch. Das bedeutet also, dass die Finanzbehörden bei "begründetem Verdacht" nicht nur den Kontostand einsehen können, sondern auch wissen, wer wie viel beim Supermarkt ausgegeben hat, um wie viel getankt wurde, wo in der Stadt Geld abgehoben wurde.

Zugegeben, das war auch vorher schon möglich. Aber eben nur mit Erlaubnis des Gerichts. Laut Krisch führt auch in Zukunft "kein Weg vorbei an richterlichen Entscheidungen", wenn man das Grundrecht auf Datenschutz wahren möchte. Er schlägt hier statt Alleingänge Schnellverfahren vor, damit die Finanzbehörden rascher und einfacher auf Konten zugreifen können. Dem Vernehmen nach äußert man auch im Justizministerium Bedenken wegen der Kontoeinsicht ohne richterlichen Beschluss. Deshalb wird sich das Justizministerium zwar beim Kontoregister anhängen und dieses für Ermittlungen nutzen. Bei Kontoöffnungen, etwa in Ermittlungsverfahren, halte man aber an der richterlichen Entscheidung fest, heißt es aus informierten Kreisen.

Schutz ist gut, Kontrolle ist besser

Die Regierung hält am Gesetzesentwurf fest und demonstriert nach dem Ministerrat am Mittwoch Einigkeit. Zwar sicherte Finanzminister Schelling scharfe Kontrollen, einen Rechtschutzbeauftragten und ein "Vier-Augen-Prinzip" zu. Eine Richter-Kontrolle wollen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner aber nicht.

Die zugesicherten Kontrollen müssen sehr streng sein, damit die Zugriffe in Einklang mit dem geltenden Datenschutzrecht geschehen und die Aushöhlung des Bankgeheimnisses nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Vorratsdatenspeicherung. Diese wurde im Vorjahr vom Verfassungsgericht gekippt.

Just ein Instrument, das bei der Vorratsdatenspeicherung zur Anwendung kam, könnte jetzt für mehr Kontrolle der Finanzbehörden sorgen, schlägt Krisch vor. Damals wurde eine zentrale Durchlaufstelle eingerichtet. Eine Software hat minutiös dokumentiert, welche Behörden und welche Beamten zu welchem Zweck Daten aus der Vorratsdatenspeicherung angefordert haben und wie die Telekoms darauf antworteten. Dadurch könne man nicht nur die Zugriffe kontrollieren, sondern im Nachhinein überprüfen, wie oft sie zur Klärung von Betrugsfällen beigetragen haben. Außerdem müssten Bürger über jeden einzelnen Zugriff informiert werden und es müsste ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, sich rechtlich dagegen zu wehren. "Die absolute Datensicherheit gibt es nicht", sagt Krisch.