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Der Preis des Friedens

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Eine diplomatische Beendigung des Ukraine-Krieges setzt Kriegsbereitschaft des Westens voraus.


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Es sind fragile, seltene und wenig belastbare Indizien, aber es gibt sie: Hinweise darauf, dass tief hinter den Kulissen zwischen Moskau und Washington diskret darüber kommuniziert wird, wie der Ukraine-Krieg eingedämmt werden könnte. So trafen einander jüngst die Geheimdienstbosse Russlands und der USA zum persönlichen Gespräch in Ankara. Von Friedensverhandlungen ist das freilich so weit weg wie Wladimir Putin von der Verleihung des Friedensnobelpreises, aber in der derzeitigen Situation ist auch der kleinste Hoffnungsschimmer nicht nichts.

Vor allem in Europa, wo wirtschaftliche und politische Folgen des Krieges viel stärker zu spüren sind als in anderen Teilen der westlichen Welt, wird die Sehnsucht nach einer diplomatischen Lösung von Tag zu Tag größer; nicht zuletzt angesichts des nahenden Winters. So berechtigt dieser Wunsch ist, so wenig scheinen sich die meisten Europäer, allen voran die Deutschen, im Klaren darüber zu sein, welche Konsequenzen ein solcher Friede für sie hätte: nämlich die Notwendigkeit einer deutlich verstärkten Militarisierung Europas, verbunden mit enormen Kosten und auch einer Veränderung des allgemeinen Mindsets der Bevölkerung hin zu mehr Kriegsbereitschaft, falls nötig. Denn in einem sind sich alle einschlägigen Experten einig: Ein Friedensvertrag zwischen Kiew und Moskau kann nur zustande kommen, wenn die wichtigsten Westmächte die territoriale Unversehrtheit der Ukraine glaubhaft garantieren, wie auch immer dieses Territorium dann auch aussehen mag.

Das Stichwort ist "glaubwürdig", denn die territoriale Unversehrtheit der Ukraine haben ja schon am 5. Dezember 1994 im Budapester Memorandum die USA, Großbritannien und Russland (!) schriftlich garantiert; im Gegenzug gab die Ukraine ihre Atomwaffen aus UdSSR-Zeiten an Russland ab - aus heutiger Sicht der Fehler aller Fehler.

Weder die USA noch Großbritannien, Deutschland, Frankreich oder Polen wollen für die ukrainische Souveränität einen Krieg mit dem Kreml riskieren, aus gutem Grund. Damit droht aber auch jede künftige westliche Garantie für die Ukraine zu einem wertlosen Stück Papier zu werden, kaum dass sie unterschrieben ist. Nach dieser Logik, ist aber eine diplomatische Beendigung des Krieges nicht vorstellbar, solange nicht eine Seite eindeutig obsiegt, was derzeit nicht absehbar ist.

Grundlage einer friedlichen Beilegung des Krieges kann daher nur eine glaubwürdige (!) Drohung des Westens sein, einer allfälligen neuerlichen russischen Aggression gegen die Ukraine mit dem eigenen Militär zu begegnen - also anders als 2022 künftig selbst in den Krieg gegen Russland zu ziehen, wenn dieses abermals angreift. Das erfordert neben einer entsprechenden politischen Willensbildung vor allem den Aufbau kriegsfähiger, hochgerüsteter Armeen. Beides ist angesichts der wirtschaftlichen Ausgelaugtheit des Westens, der allgemeinen Kriegsmüdigkeit und einer drittklassigen politischen Führung in den meisten Staaten eher nicht sehr realistisch.

Man muss eben immer vorsichtig sein bei dem, was man sich wünscht, denn es könnte ja in Erfüllung gehen. Und dann?