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In einer Serie von Aussagen und Reden kritisiert Bundespräsident Alexander Van der Bellen dieser Tage die Arbeit der Bundesregierung. Das ist neu. Bisher achteten die beiden Seiten des Wiener Ballhausplatzes, also das Kanzleramt und die Präsidentschaftskanzlei, sorgsam auf ein gedeihliches, ja mitunter fast schon amikales Auskommen.
Nun hat das Staatsoberhaupt allerdings die Tonleiter gewechselt. Van der Bellen bemängelte die Nichteinbindung der Sozialpartner, die Eile im Gesetzgebungsprozess und Härten im Umgang mit Asylwerbern. Den freiheitlichen EU-Abgeordneten Harald Vilimsky kritisierte er sogar wegen dessen Rücktrittsaufforderung an EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker massiv. Der Konter kam umgehend und frontal: Van der Bellen sei ein "frustrierter Grüner", zwar gewählt, aber agiere nicht überparteilich. "Mein Präsident ist er nicht", so der EU-Mandatar und FPÖ-Generalsekretär.
Politiker wie Vilimsky sind Meister im politischen Schlammcatchen. Dabei geht es nur selten im Inhalte, ja nicht einmal ums Gewinnen oder Verlieren, sondern meistens allein darum, dass beschmutzt wird, wer sich mit ihnen auseinandersetzt. Solche Politiker warten nur darauf, dass man auf sie reagiert.
Ist es deshalb am besten, sie zu ignorieren und ihre Tiraden ins Leere laufen zu lassen? Das wäre eine Strategie, an die sich allerdings alle - Parteien wie Medien - halten müssten, jedenfalls weitgehend. Indem die Attacken öffentliches Profil gewinnen, zwingen sie zu Aufmerksamkeit und Reaktion. Was wiederum exakt den Absichten des Provokateurs entspricht, schließlich kann er auf die Reaktion noch heftiger reagieren. Und so weiter und so fort.
In einem idealen Gemeinwesen mit idealer politischer Kultur würde ein solcher Provokateur und Zündler zunächst vom eigenen Lager korrigiert beziehungsweise zur Ordnung gerufen. In Vilimskys Fall sieht die FPÖ offenbar keinen Anlass. Es geht bereits um die Positionierung für die EU-Wahl im Frühjahr. Da die FPÖ in der Regierung sitzt, geht die Rolle eines Hüters der politischen Kultur an den Regierungspartner über, in diesem Fall die ÖVP. Dort zieht man jedoch die "Ned amol ignorieren"-Strategie vor und schweigt. Womit die Aufgabe bei der höchsten Instanz landet: beim Bundespräsidenten.
Das Match "Generalsekretär vs. Staatsoberhaupt" kann sich nur einer wünschen, und das ist nicht der Bundespräsident. Trotzdem ist es so gekommen.
Das wird Folgen haben: Das Vertrauen zwischen Regierung und Präsident ist beschädigt, die Gräben im Land sind vertieft. Und auch der Stimmung in der Koalition werden Vilimskys Provokationen nicht guttun. Klare Worte zur richtigen Zeit von der richtigen Stelle hätten dies verhindert.