Die Regeln zur Entsendung von Arbeitnehmern sollen geändert werden - und die Kosten dafür könnten vor allem Osteuropäer tragen.
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Die meisten gehen nach Deutschland, Frankreich und Belgien. Doch schon an vierter Stelle befindet sich Österreich. In der Liste der Länder, wohin die meisten Arbeitnehmer entsandt werden, liegt es weit oben. Mehr als 100.000 Menschen nahmen im Jahr 2015 hier einen Job auf; ein Drittel von ihnen waren Slowenen, nur etwas geringer war die Zahl der Deutschen. In Deutschland wiederum bestand die größte Gruppe aus Polen. Insgesamt gab es laut EU-Kommission in der Gemeinschaft zwei Millionen Entsendungen. Das mag viel klingen, entspricht aber nicht einmal einem Prozent der Beschäftigungen in der Union.
Konfliktpotenzial birgt das Thema dennoch. Schon ist eine Debatte über eine Änderung der Regeln, die in der sogenannten Entsende-Richtlinie fixiert sind, entbrannt, die alte Klüfte zwischen West- und Osteuropa erneut zu vertiefen droht. Am Montag beraten die Arbeits- und Sozialminister darüber, am Donnerstag könnte dann das Plenum des EU-Parlaments über das Mandat für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten abstimmen.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wirbt schon seit Wochen für seine Position. Er möchte die Regeln verschärfen, mit der Begründung, gegen Lohn- und Sozialdumping vorgehen zu wollen. Dahinter steckt ein protektionistisches Element: Es geht darum, französische Betriebe vor Wettbewerb zu schützen, in dem Firmen aus Osteuropa wegen geringerer Lohnkosten einen Vorteil haben. Mit Unterstützung kann Macron aus Österreich rechnen, wo nicht zuletzt die Gewerkschaften auf strengere Maßnahmen gegenüber Arbeitern aus anderen Ländern pochen. Auf Verbündete kann Frankreich ebenfalls in den Benelux- und einigen südeuropäischen Staaten hoffen.
Polen sieht das hingegen anders. Von dort stammen die meisten entsandten Beschäftigten: Fast eine halbe Million Menschen waren es 2015. Danach folgten übrigens Deutschland - und Frankreich. Polen, wie so manches andere ost- und mitteleuropäische Land, fürchtet nun umgekehrt Wettbewerbsnachteile, wenn den dortigen Unternehmen Aufträge im Ausland entgehen, weil die Kosten dafür steigen.
Denn die Änderungsvorschläge für die Richtlinie sehen zum einen vor, dass entsandte Arbeiter nicht nur den Mindestlohn der jeweiligen Branche des Gastlandes erhalten, sondern auch die üblichen Zuschläge etwa für Überstunden oder Nachtschichten. Außerdem dürften ihnen die Kosten für Unterbringung beispielsweise nicht vom Einkommen abgezogen werden. Zum anderen soll die Ablauffrist für eine Entsendung verkürzt werden. Nach 24 Monaten soll dann das Arbeitsrecht des Ziellandes gelten - wobei Frankreich diesen Automatismus lieber schon nach zwölf Monaten gelten lassen würde. Würde Macron zusätzlich auch noch seine Vorstellungen zur Angleichung der Sozialsysteme durchsetzen, würden die Osteuropäer beinahe alle Wettbewerbsvorteile verlieren.
Ob damit den westeuropäischen Unternehmen sehr geholfen wäre, ist freilich fraglich. Politischen Schaden aber kann die Debatte allemal anrichten, wenn sich die Positionen zwischen Ost und West verhärten. Der Preis für gleichen Lohn wäre dann ein hoher.