Die Panama Papers bringen David Cameron ins Schleudern. Für die Brexit-Gegner sind das schlechte Nachrichten.
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London. Zum Wochenende ist der britische Premierminister David Cameron von allen Seiten unter Druck gekommen. Nach seinem Eingeständnis, von Offshore-Geschäften profitiert zu haben, verlangen Oppositions-Politiker nun "ein volles Geständnis" von ihm. Auch erste Rufe nach seinem Rücktritt sind am Freitag laut geworden. Zugleich sieht sich Cameron einem Aufstand im eigenen, konservativen Lager gegenüber, weil er im Vorfeld des britischen EU-Referendums für über neun Millionen Pfund Pro-EU-Broschüren zur Verteilung an alle britischen Haushalte hat drucken lassen. Brexit-Befürworter unter den Tories sprechen von einer üblen "Propaganda"-Aktion.
Einzelne Abgeordnete der Regierungspartei erwägen bereits, Cameron wegen der Broschüren die weitere Unterstützung im Unterhaus zu versagen. Cameron verfügt im Parlament nur über eine Mehrheit von 12 Stimmen. Andere Tories haben dem Premier angedroht, dass er nach dem Referendum am 23. Juni von der Fraktion auf jeden Fall abgesetzt werde - egal, ob das Referendum ein Ja oder ein Nein zur EU erbringt.
Misslungene Salami-Taktik
Die Befürworter einer weitereren EU-Mitgliedschaft betrachten es als äußerst ernst, dass Cameron jetzt in solche Schwierigkeiten geraten ist. Die Meinungsumfragen zum EU-Entscheid signalisieren ein offenes Rennen. Cameron aber ist der einzige wirklich prominente Politiker im Land, der sich zehn Wochen vor dem Referendum kontinuierlich für den "Verbleib in Europa" einsetzt. Weder die pro-europäischen Minister seines Kabinetts noch Spitzenleute der Labour Party treten sonderlich engagiert oder wirklich wahrnehmbar gegen den Brexit auf.
Hingegen beteuert Cameron bei einem Auftritt nach dem anderen, Großbritannien sei am besten in der EU aufgehoben. Wie viel Vertrauen seine Landsleute diesen Erklärungen letztlich entgegenbringen, könnte entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis am 23. Juni haben.
Eine Menge Vertrauen verloren habe der Regierungschef diese Woche jedenfalls im Zusammenhang mit den "Panama Papers", urteilen jetzt Freunde und Gegner Camerons. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon erklärte am Freitag, Camerons Glaubwürdigkeit sei "komplett ruiniert". Vier Tage brauchte der Premier immerhin, um einzugestehen, dass er aus den Offshore-Arrangments seines Vaters persönlichen Nutzen gezogen hatte. Zu Anfang der Woche nannte Cameron seine Geldanlage noch "eine private Angelegenheit". Danach versicherte er in drei weiteren Presseerklärungen, er verfüge über keinerlei Offshore-Aktien. Auch seine Frau und seine Kinder profitieren nicht von Offshore-Verbindungen, beteuerte er.
Am Donnerstagabend räumte David Cameron dann erstmals ein, dass er und seine Frau Samantha bis Jänner 2010 Anteile in Höhe von 31.500 Pfund an dem Offshore-Trust seines Vaters gehalten hatten. Illegal waren diese Arrangements nicht. Aber die Opposition wirft Cameron "Heuchelei" vor, da er sich in vergangenen Jahren für mehr Transparenz bei Offshore-Firmen und Steueroasen ausgesprochen hatte. Labours Schatten-Schatzkanzler John McDonnell forderte Cameron auf, im Unterhaus "eine volle Erklärung" zu seinen Vermögensverhältnissen abzugeben.
"Einseitige Propaganda"
Tory-Politiker verteidigten den Premier in der Steuerfrage, griffen ihn aber teils äußerst scharf in der Frage der EU-Broschüren an. Camerons eigener Justizminister Michael Gove erklärte, die neun Millionen Pfund hätte man besser fürs nationale Gesundheitswesen ausgegeben. Die Broschüren seien "einseitige Propaganda". Cameron selbst erklärte, er habe nur sicherstellen wollen, dass jedermann, der zur Wahl gehe, auch genau wisse, "was die Regierung denkt".
Hintergrund: Das Vermögen der Camerons
Den "Cameron-Clan" verbindet eine lange Geschichte mit dem Finanzsektor. Allein die Verbindung der Familie mit der Börsenmakler-Firma Panmure Gordon in der City of London reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. David Camerons 1958 gestorbener Großvater Ewen Donald Cameron, ein Direktor der Firma, vererbte seinen Nachkommen angeblich ein Vermögen im heutigen Wert von einer Million Pfund. Sein Sohn Ian Cameron, David Camerons Vater, brachte es laut "Sunday Times" auf ein Privatvermögen von 10 Millionen. Für diesen Reichtum soll vor allem der Offshore-Trust "Blairmore Holdings Inc" verantwortlich gewesen sein, den Ian Cameron Anfang der 80er Jahre in Panama registrieren ließ.
Um diesen Trust geht es bei den gegenwärtigen Schwierigkeiten David Camerons. Gemeinsam mit seiner Frau Samantha hatte er "Blairmore"-Aktien gehalten, die erst vier Monate vor seinem Amtsantritt im Mai 2010 wieder verkauft wurden. Dabei soll ein Gewinn von 19.000 Pfund angefallen sein.
Unklar ist allerdings, wohin die 300.000 Pfund flossen, die Cameron 2010 von seinem Vater erbte. Ein Teil davon könnte sich in einem separaten Trust auf der Kanalinsel Jersey befinden. Cameron selbst erklärte dazu, er könne nun wirklich "nicht jede Quelle von jedem bisschen Geld orten", über das er verfüge: Eine andere noch unbeantwortete Frage ist, was aus den über 7 Millionen Pfund geworden ist, die Vater Cameron angeblich besaß, die aber nicht in seinem offiziellen Testament auftauchten.
Auch die Vermögensverhältnisse von Samantha Camerons Familie sind ins Scheinwerferlicht geraten. Ihre Mutter ist Direktorin einer Möbelfirma, deren Aktionäre sich dem "Guardian" zufolge einer auf der Kanalinsel Guernsey sitzenden Mittlerfirma bedienen.